Immer wieder meinen Teilnehmer*innen in unseren Seminaren für Kreativitätstechniken: „Mir fällt nichts ein.“ Und Hand aufs Herz, wer von uns hat das nicht schon frustriert geseufzt? Dabei steckt in dieser Äußerung bereits die Antwort auf das Problem.
Das Wort Kreativität kommt vom lateinischen Wort creare, was schaffen oder hervorbringen bedeutet. Da ist also durchaus von etwas Aktivem die Rede: Man muss etwas tun, um Ideen zu erhalten, sie fallen einem nicht einfach zu. Das mag irritierend sein, haben wir nicht alle das Bild vom Künstler im Kopf, der beim Spaziergang mit einer Idee heimkehrt, vom Genie, das beim Nichtstun von der Muse geküsst wird? Ich will dieses Bild nicht völlig verwerfen und werde am Ende auch noch einmal darauf zurückkommen. Doch es ist eben nur ein Teil der Wahrheit. Ohne Anstrengung, ohne Auseinandersetzung mit einem Thema und vor allem ohne Perspektivenwechsel wird der Geistesblitz fernbleiben.
Ich möchte das anhand einer Übung zeigen, die wir gerne in unseren Schreibseminaren einsetzen. Sie hilft, den aktiven Wortschatz zu erweitern und damit Wortwiederholungen zu vermeiden. Und sie funktioniert so: Wir geben den Teilnehmer*innen ein sehr neutrales und häufig gebrauchtes Verb, etwa essen, gehen oder sagen. Nun lautet die Aufgabe, 2,5 Minuten lang möglichst viele Synonyme zu finden. Wir weisen extra darauf hin, dass die Bedeutungsgleichheit auch nur in bestimmten Situationen bestehen darf. So könnte man das Wort gehen situativ passend durch Wörter wie schlendern, eintreten, waten, hetzen, staksen oder schweben ersetzen. Es gäbe wohl weit über hundert Möglichkeiten.
Nachdem die Zeit verstrichen ist, lassen wir die Teilnehmer*innen ihre gefundenen Wörter zählen. Die Bandbreite reicht da von vier oder fünf bis zu 25 Wörtern. Auch hier hören wir immer wieder den Satz: „Mir ist nichts eingefallen.“ Jetzt stelle ich die Frage an jene in der Runde, die die meisten Wörter gefunden haben: „Wie seid ihr vorgegangen? Was habt ihr in der Zeit gemacht?“
Gedanken auf die Reise schicken
Und nun zeigt sich regelmäßig, dass jene, die viele Synonyme auf ihren Zetteln notiert haben, aktiver waren. Sie haben sich auf die Suche begeben, sich Fragen gestellt und ihre Gedanken auf Reise geschickt. Am Beispiel gehen: Wie geht ein König am roten Teppich, eine Managerin am Weg zum Meeting, ein Kind nach der Schule? Wie gehen Soldaten, Models oder alte Menschen? Wie geht jemand unter Zeitdruck, wie jemand, der kein Ziel hat? Wie geht jemand in Turnschuhen, wie in High Heels oder in schweren Stiefeln?
Wenn wir uns solche Fragen stellen, wenn wir Situationen kreieren, ändern, wegschieben und durch neue ersetzen, kurz: die Richtung der Gedanken verändern, dann kommen wir auf Neues. Das Geheimnis lautet: Perspektivenwechsel. Und das wiederum könnte man fast als Synonym für Kreativität verwenden.
Was nicht funktioniert: dasitzen und warten, dass einem Synonyme oder eben Ideen einfallen. Tut man das, bleibt hernach tatsächlich oft nur ein: „Mir fällt nichts ein.“
Die passive Seite der Kreativität
Und doch: Zum Abschluss kommt noch eine kleine Rettung der passiven Seite von Kreativität. Einige Bücher bringen den Begriff der Kreativität auch mit dem lateinischen Wort crescere in Verbindung, was gedeihen, wachsen oder entstehen bedeutet. Die Herleitung ist zwar falsch, weil die beiden Wörter etymologisch nichts miteinander zu tun haben, sie weist uns aber auf die passive Seite von Kreativität hin. Denn: Ja, die gibt es auch! Das Unterbewusste, der Schlaf, die Ruhe sind natürlich auch wunderbare Ideenlieferanten. Manchmal muss man Dinge sich setzen lassen, wir kennen es als drüberschlafen, um dann – immer wieder aufs Neue überrascht – festzustellen, dass die Muse etwas abgeliefert hat. Doch die Wahrheit ist: Da hat man sich zuvor ausführlich mit einem Thema beschäftigt! Die Lehre daraus: aktiv an etwas arbeiten – Sie wissen schon: Gedanken auf die Reise schicken … und dann ruhen lassen. Und siehe: Mir fällt etwas ein.
Mehr Infos finden Sie in diesem Blog-Beitrag über Perspektivenwechsel!
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