Teilen sich zwei Menschen einen Job, treffen unterschiedliche Arbeitsweisen aufeinander. Das führt häufig zu Konflikten und einem Ende der Zusammenarbeit. Dabei können gerade Gegensätze beim Jobsharing ein großer Vorteil sein.
Nichts kann existieren ohne Ordnung, nichts kann entstehen ohne Chaos.
Albert Einstein
Der Volksmund kennt zwei Weisheiten, die sich zu widersprechen scheinen:
„Gleich und gleich gesellt sich gern“ und „Unterschiede ziehen sich an“.
Viele haben diesen Widerspruch schon bei Paarbeziehungen aufgedeckt.
Aber wie ist es beim Jobsharing?
Wenn zwei Menschen sich eine Arbeit teilen oder einfach nur eng zusammenarbeiten, ist es dann besser, wenn sie einander möglichst ähnlich sind? Oder haben Unterschiede auch ihre Vorteile?
12 erfolgreiche Arbeitspaare im Interview
Wir durften für ein (noch nicht erschienenes) Buch zum Thema „Arbeiten zu zweit“ zwölf berufliche Paare interviewen. Sie alle haben zumindest über einige Jahre gut als Zweierteam zusammengearbeitet. Dabei hat sich ein Erfolgsrezept herauskristallisiert: Auf Werteebene braucht es eine gewisse Übereinstimmung, auch bei den Visionen und Zielen, in der Art zu arbeiten allerdings können Unterschiede sogar ein Vorteil sein.
So erzählte uns die Co-Geschäftsführerin einer großen Non-Profit-Organisation, dass ihr Top-Jobsharing nur funktioniere, weil beide zum Beispiel einen ähnlichen Zugang zur Mitarbeiterführung hätten. Würde etwa eine vor allem auf Kontrolle und die andere auf Vertrauen setzen, wäre das ein Ding der Unmöglichkeit. Auf die Frage aber, ob die zwei Führungskräfte unterschiedliche Arbeitsstile haben dürften, antwortete sie: „Je unterschiedlicher die zwei Menschen sind, desto besser.“
Beim Jobsharing Unterschiede wahrnehmen und nutzen
Freilich gaben alle diese funktionierenden Paare an, dass sie diese Unterschiede akzeptieren, ja sogar für sich nutzen – als Korrektiv, als Ergänzung, als hilfreichen Antagonismus. Der Inhaber einer Werbeagentur, die er gemeinsam mit seinem Cousin betreibt, sah zum Beispiel nur Vorteile in dem Modell des Jobsharings, „weil wir unterschiedliche Sichtweisen und Lösungsansätze mitbringen.“
Natürlich könne es nerven – auch das erwähnen einige der Interviewten –, wenn das Gegenüber ganz anders tickt: wenn einer ordentlich ist und der andere das kreative Chaos liebt, eine schnell entscheidet und die andere sich viel Zeit zum Abwägen nimmt, wenn einer die Dinge aus der Vogelperspektive betrachtet und der andere das Augenmerk auf Details legt. Die Frage ist, ob wir die Unterschiede als Barriere betrachten oder ob wir sie als Bereicherung willkommen heißen, ob wir das Anderssein als falsch titulieren oder als Puzzlestück, das uns gemeinsam zu einem größeren Bild verhilft.
Regen und Sonnenschein
Der Kommunikationsexperte Friedemann Schulz von Thun hat sich viel mit solch antagonistischen Werten beschäftigt. In seinem berühmten Wertequadrat zeigt er, dass jede Eigenschaft als Ausgleich auch einen Gegenpol benötigt, weil sie sonst ins Extreme abzugleiten droht. Sparsamkeit kann schnell in Geiz abdriften, wenn da nicht Generosität für Ausgleich sorgt. Die wiederum braucht die Sparsamkeit, um vor Verschwendung gefeit zu sein. Und Genauigkeit kann zu Perfektionismus ausarten, wenn auf der anderen Seite nicht Lockerheit eine Balance schafft. Die freilich ist auf Genauigkeit angewiesen, weil sie sonst droht, in die Schlampigkeit abzugleiten.
Schulz von Thun sieht in der Kombination von Gegensätzen die Chance, auf eine noch höhere Qualitätsebene zu kommen. Er nennt sie „Regenbogenqualität“ und erklärt: „Der Regenbogen geht nur auf, wenn zwei konträre Erscheinungen – Regen und Sonnenschein – gleichzeitig vorhanden sind; erst dann entsteht diese besondere Schönheit einer Verbindung von Gegensätzlichem, das gleichzeitig vorhanden ist und sich durchdringt.“*
Vorteile statt Nachteile hervorstreichen
Nicken Sie innerlich und meinen, das sei doch klar? Dann denken Sie auch beim nächsten Mal daran, wenn Sie sich zum Beispiel über die „Langsamkeit“, „das Chaos“ oder die „Schludrigkeit“ ihres Gegenübers ärgern. Im Berufsalltag (wie auch in Beziehungen) vergessen wir schnell, dass die Haltung des Gegenübers auch einen Wert darstellt. Dann fehlt uns das Verständnis für das Anderssein. Dann sehen wir in der Sorgfalt nur die Pedanterie, und diese Person reagiert vielleicht, indem sie unsere Schnelligkeit als Oberflächlichkeit diffamiert.
Die komplementären Werte zu sehen und anzuerkennen, anstatt den anderen ändern zu wollen, kann Arbeit sein. Aber sie ist, wie wir in allen Interviews zu hören bekamen, eines der Geheimnisse erfolgreichen Jobsharings, ja erfolgreicher Zusammenarbeit überhaupt.
Es gehe darum, erzählte uns der weibliche Teil eines erfolgreichen Bühnen-Duos, an sich selbst und an der Beziehung zu arbeiten. Und darum, „die Unterschiede als Ressource zu sehen und nicht als Widerspruch“. Und ein Tischler, der mit seiner Frau seit Jahrzehnten exklusive Möbel herstellt, formuliert den konstruktiven Umgang der beiden mit ihrer Verschiedenheit so: „Wir haben im positiven Sinn die Unterschiedlichkeit kultiviert.“
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* Pörksen, Bernhard/ Schulz von Thun, Friedemann: Kommunikation als Lebenskunst, Heidelberg 2014, S. 117.
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