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Wahlplakate 2024: Wie Botschaften wirken

Vor der Nationalratswahl im September 2024 verwandelt sich der öffentliche Raum in ein Dickicht politischer Slogans und Appelle. Machen wir das Beste daraus und lernen an den plakatierten Beispielen, wie Texte wirken – und warum. Hier eine Analyse einiger Wahlplakate.

ÖVP – Bedürfnisse der Mitte

Wahlplakate der ÖVP: Stabilität für Österreich.Die ÖVP kommt auf ihren Plakaten – schon traditionell – mit wenig Text und wenig konkreten Inhalt aus. Hat schon Sebastian Kurz im Jahr 2019 mit „Klarheit schaffen. Kurz wählen!“ geworben, folgt ihm Bundeskanzler Nehammer mit „Stabilität für Österreich.“ oder „Sicherheit für Wien.“ Klarheit, Sicherheit und Stabilität sind Grundbedürfnisse aller Menschen, etwas, zu dem jeder und jede nickt, einfach, weil wir das alle brauchen – auch wenn natürlich völlig unklar bleibt, wie diese Bedürfnisse im konkreten Fall durch die wahlwerbende Partei befriedigt werden.

Darüber hinaus handelt es sich um extrem kurze Aussagen mit nur einem Element. Und egal, welchen Kulturkreis man sich in Hinblick auf Zahlensymbolik ansieht: Immer steht die eins, das eine Element für eine Einheit, die keine weitere Interpretation zulässt und Kraft vermittelt. Passend dazu geben sich die abgebildeten Personen seriös gekleidet und staatstragend. Mit „Wir. Die starke Mitte.“ oder mit „Die Mitte stärken.“ möchte sich die ÖVP von der SPÖ, besonders aber von der FPÖ abgrenzen, die oft als am rechten Rand bezeichnet wird – auch wenn die Analysen den Wahlprogrammen dieser beiden Parteien eine sehr große Überschneidung attestieren.

SPÖ – mit Herz und Hirn

SPÖ: Mit Herz und HirnWährend die ÖVP auf Ein-Element-Botschaften setzt, bietet die SPÖ zwei Elemente an: „Mit Herz + Hirn“ ist Teil fast aller ihrer Plakate. Zwei Elemente stehen üblicherweise für Vergleich und Kontrast, den Wähler*innen soll vermittelt werden: „Wir sind menschlich, aber auch kompetent.“

Interessant, dass das Herz, aus unserer Sicht etwas unglücklich, als Piktogramm dargestellt ist. Auch die SPÖ ist inhaltlich recht farblos, konkrete Umsetzungsstrategien oder Themen aus dem Wahlprogramm fehlen. Sie versucht hingegen auf einigen Wahlplakaten, mit der direkten Anrede und Slogans wie „Für dein besseres Österreich“ oder „Mit Herz und Hirn für deine Kinder“ Nähe und persönliche Betroffenheit herzustellen.

FPÖ – plakativ suggestiv

Wahlplakate der FPÖ: Euer Wille gescheheDie FPÖ, in den Umfragen auf Platz eins, verzichtet heuer auf den ganz großen Tabubruch. Komplett ohne geht es freilich auch nicht. Mit „EUER WILLE GESCHEHE“ klaut man aus dem Vater unser, dreht allerdings Ursache-Wirkung um. Mit demselben Stilmittel der Umkehrung arbeitet der Spruch „IHR SEID DER CHEF – ICH EUER WERKZEUG“. Offen bleibt, ob es nicht vielleicht genau umgekehrt gedacht sein könnte.

Die religiöse Anspielung kann zwei Ziele haben: einerseits die Zustimmung aus der katholischen Wählerschicht durch das Betonen christlicher Werte – in Abgrenzung zum Islam. Andererseits sorgt die Provokation zumindest für Proteste aus der katholischen Kirche. So bleibt man im Gespräch.

Neu ist der pathetische Bezug auf religiöse Formulierungen nicht. Norbert Hofer setzte zum Beispiel bei der Bundespräsidentenwahl im Jahr 2016 auf „SO WAHR MIR GOTT HELFE“. Spannend ist, dass die FPÖ bei diesen Plakaten wie schon in der Vergangenheit wieder als einzige Partei die Personalpronomen im Plural verwendet, also kaum „du“ und „dein“, sondern hauptsächlich „ihr“ und „euer“. Das kennen wir zum Beispiel von Haiders „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist.“ Es wird als gar nicht so sehr der oder die einzelne angesprochen, sondern gleich eine ganze scheinbar homogene Gruppe. Diese Gruppenansprache ergänzt sehr gut jene Plakatserie, die dann doch einzelne direkt adressiert, etwa: „KICKL. DEIN HERZ SAGT JA.“ Das wiederum passt zu den religiösen Bezügen:  suggestiv, emotional aufgeladen und, ja, auch affirmativ. Geschickt und gefährlich.
Zusätzlich gibt es einen Appell, der offenbar potentielle Wähler*innen ermutigen soll, erstmals der FPÖ die Stimme zu geben: „ES BEGINNT MIT DIR/MUTIG NEUES WAGEN“.

Die grafische Gestaltung gibt sich mit sehr viel Weißraum seriös und nahezu unantastbar. Dazu die rot-weiß-rote Hand mit erhobenen Daumen. Auch das gab es 1985 schon.

Grüne – Wähl dies statt das

Grüne: Klima oder Krise?Die Grünen versuchen den Spagat, Klima- und Umweltschutz als zentrales Thema zu plakatieren und dennoch positiv zu bleiben. Alles dreht sich um den Spruch „WÄHL, ALS GÄB‘S EIN MORGEN.“ Nicht schlecht – wenn er verstanden wird.

Dazu transportieren ihre Wahlplakate Zwei-Element-Botschaften, die als Kontraste aufgebaut sind: „BÄUME ODER BETON?“, „KLIMA ODER KRISE?“ Das könnte man fast als ein wenig platt ansehen und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Klima zum Problem zu erklären, wo doch Klimaschutz gemeint ist. Das kennen wir schon aus der Vergangenheit, wo immer wieder Atom und Gen die offenbar unzumutbar langen Wörter Atomkraft und Gentechnologie ersetzten.

Thematische Einzelangebote stehen zusätzlich zur Verfügung: „WÄHL KLIMASCHUTZ“, „WÄHL VERANTWORTUNG“, „WÄHL NATURSCHUTZ“, „WÄHL MITEINANDER“ – eine sprachlich direktere Art, Themen zu besetzen, kann es kaum geben. Die Themen sollen hier die ausschlaggebende Motivation sein, das Kreuzchen bei Grün zu setzen. Zusätzlich sind diese Botschaften mit teilweise drastischen Bildern unterlegt. Vergleicht man die Plakatbilder mit den Verkleinerungen auf der Webseite, zeigt sich, dass nicht alle in der Vergrößerung eine positive Verstärkung bewirken, weil die übergroßen Gesichter, etwa bei „WÄHL MITEINANDER“, fast verzerrt scheinen.

Was uns außerdem auffiel: Bei „WÄHL VERNUNFT&ZUVERSICHT“ fehlen die Abstände vor und nach dem &-Zeichen. Für uns als Textprofis ist es immer ärgerlich, wenn sich Grafiker*innen durchsetzen und Rechtschreibregeln außer Kraft setzen.

NEOS – Hauptsache Kraft

Wahlplakate der NEOS, hier z. B. TRANS PARENZBei den NEOS dreht sich alles um Kraft – mal tritt sie in Verbindung mit Frontfrau Beate Meinl-Reisinger als „DIE ENTSCHEIDENDE KRAFT“, mal als „DIE VERBINDENDE KRAFT“ auf. Oder die Neos bezeichnen sich selbst als „REFORMKRAFT“, danach folgen schöne Alliterationen wie „FÜR ECHTE ENTLASTUNG“ oder „FÜR BESSERE BILDUNG“ und mehr oder eher weniger konkrete Forderungen wie „STEUERN SENKEN“ oder „FLÜGEL HEBEN“ – auch dies ein schöne Kontrastmetapher.

Haben wir bei den Grünen schon grammatikalische Fehler im Namen der Optik beanstandet, gilt das für die NEOS erst recht: Das abgeteilte Wort REFORM KRAFT ohne Satzzeichen ließe sich ja noch irgendwie argumentieren, aber TRANS PARENZ in zwei verschiedenen Zeilen geht einfach gar nicht. Ein fehlender Bindestrich ist und bleibt ein Fehler. Immerhin: Beim Plakat „POSTENSCHACHER stoppen“ hat das Werbeteam einen kurzen Strich nach Posten zugestanden.

KPÖ – eine Stimme für …

Wahlplakate der KPÖ: Eine Stimme für ...Die Kommunisten versuchen, den Wähler*innen-Stimmen einen ganz konkreten Sinn zu geben. Auf Einleitungen wie „EINE STIMME AUS DER PFLEGE“ oder „EINE STIMME FÜR LEISTBARES WOHNEN“ folgt der Standardsatz „Eine Stimme für die KPÖ“. Einerseits greifen sie damit auf das klassische, starke Stilmittel der Anapher zurück. Andererseits bilden sie so auch Zweierfiguren, die eine gedankliche Verknüpfung anstreben; ganz ähnlich finden wir das bei wirkungsvollen Werbeslogans, etwa „Have a break, have a KitKat.“

Optisch gestalten sich die Wahlplakate wild und bunt. Eine Textanalyse endet allerdings spätestens bei den Farben – so auch diese.

Was sind eure Eindrücke? Wir freuen uns über Ergänzungen und Kommentare.

Ergänzung/DISCLAIMER:
Wir vertreten hier keine Position einer bestimmten Partei und betreiben keine Wahlwerbung. Eine Plakatwerbung kann hochprofessionell und wirksam, die Ideologie der Wahlwerbenden dahinter dennoch verwerflich sein. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass niemand aufgrund einer Plakatwerbung sein oder ihr Kreuzerl macht!

Kein Streit trotz unterschiedlicher Stimmungen

Krachen Stimmungen  aneinander, sind oft dahinterliegende Bedürfnisse zu unterschiedlich. Wie lässt sich in solchen Situationen Streit vermeiden?

Mit den Koffern kommt auch viel Außenstimmunge ins Haus.Was für ein Seminar! Der Startrainer kehrt nach Hause zurück. Im Kopf und Gepäck das euphorische Feedback von 12 Teilnehmer*innen. Natürlich wird es einen Folgeworkshop geben. Und Spaß hatten wir! Gut, die Nacht zwischen den beiden Seminartagen war ein wenig kurz ausgefallen, aber wenn die Stimmung passt, lassen sich Schlafdefizit und Kopfweh gut wegzustecken. So komme ich nach Hause. Kaum sind die Koffer abgestellt, beginne ich zu erzählen. Ach was, erzählen – es sprudelt aus mir heraus. Ich will meine Frau und Partnerin teilhaben lassen und sie anstecken. Es ist ja nicht nur mein Erfolg, es ist der von WORT & WEISE – also von uns beiden.

Zwei Menschen – zwei Stimmungen

Doch sie schaut nur müde und scheint sich überhaupt nicht zu freuen. Irgendwann kommt sie zu Wort, erwähnt, ein Sohn hätte Zoff mit einem Freund, mit dem Hund hätte sie zum Tierarzt fahren müssen und, ach ja, die Heizung mache schon wieder Probleme. Sie sei in der Zwischenzeit überhaupt nicht dazu gekommen, die Angebote zu schreiben, die sie sich vorgenommen hatte. Ja, okay, blöd, ich war halt nicht da, ich bringe mich jetzt ohnedies ein, aber sie könnte sich ja dennoch freuen oder ein bisschen mitfeiern. In kurzer Zeit ist meine Euphorie verflogen, es bleibt das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden.

So etwas kann passieren. So etwas ist uns passiert – und zwar in beide Richtungen. Auch Elisabeth ist schon endorphingeladen, laut und randvoll mit Außenwelt bei der Tür hereingekommen – und auf das personifizierte Gegenteil gestoßen. Weil ich vielleicht gerade mit Alltäglichkeiten eingedeckt war, in einer leisen Stimme der Häuslichkeit steckte und das hohe Energielevel als aggressiv empfand.

Verschiedene Stimmungen als Konfliktursache, das gibt es in privaten Paarbeziehungen, in beruflichen Beziehungen und selbstverständlich auch, wenn man als privates Paar zusätzlich beruflich zusammenarbeitet. Schnell fühlt sich ein Part unverstanden, nicht gehört oder überrollt. Und doch sind wir diesem Aufeinanderkrachen von Stimmungen nicht hilflos ausgeliefert, und doch können wir den dreohenden Streit vermeiden.

Unterschiedlichen Bedürfnissen auf den Grund gehen

Wir können solche Konflikte mit ein wenig Erfahrung vorhersehen und entsprechend reagieren. Zwei Menschen erleben verschiedene Dinge und treffen dann mit entsprechend unterschiedlichen Gefühlen aufeinander, das ist in Ordnung. Die Gefühle der einen Person und auch das andere Energielevel, die Lautstärke oder das Tempo sind kein Angriff auf die andere Person. Wir müssen es nicht auf uns beziehen. Wir können uns in Erinnerung rufen, dass wir gerade in verschiedenen Welten unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Wir können jeder und jede feststellen und damit auch aussprechen, dass wir gerade beide jeweils woanders stehen und unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Auch wenn beide gerade ihre Realität mit dem anderen teilen würden: Offenbar braucht gerade jede*r etwas anderes. Was wir brauchen, dessen sollten wir versuchen, uns bewusst zu werden. Ist es Ruhe? Ist es Austausch – aber zu einer anderen Zeit? Dann können wir auch sagen, was wir brauchen. Im Idealfall äußern wir das in einer positiv formulierten, freundlichen, aber klaren Bitte – die der andere auch erfüllen kann.

Wir können kurz innehalten und uns fragen, was denn der andere gerade braucht – oder ihn bzw. sie selbst fragen. Wichtig ist dabei, ein Dialogfeld zu öffnen, das frei von Schuldzuweisungen bleibt – und dem Gegenüber zuzuhören und dessen Stimmung wahrzunehmen. Wir können darauf achten, beiden Beteiligten Raum zu geben und damit Streit vermeiden. Wenn beide diesen Raum bekommen, sei es durch Zeit, Ruhe oder ein offenes Ohr, dann ist Begegnung auch aus verschiedenen Wahrnehmungswelten und in verschiedenen Stimmungen leichter möglich – sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld.

Suchen Sie auch nach den richtigen Worten? Kommen Sie zu einem Kommunikationstraining von WORT & WEISE oder zum Kommunikations-Coaching für Einzelpersonen!

 

Kommunikationsverweigerung und ihre Rahmenbedingungen

Macht & Ohnmacht im Gespräch, Teil 2

Wer sich über Kommunikationsverweigerung ärgert, sollte sich die Bedingungen und die Situation ein bisschen näher ansehen. Manchmal lässt sich der Rahmen verändern – oder erweitern.

Im letzten Blog-Artikel haben wir uns ein konkretes Beispiel der Kommunikationsverweigerung angesehen. Wir haben die Situation unter dem Aspekt der Macht analysiert, um herauszufinden, auf welcher Ebene das Gegenüber erreichbar sein kann. Fazit: Das kann, muss aber nicht immer gelingen.

Um bei Kommunikationsverweigerung auf Augenhöhe zu kommen, kann es helfen, die Rahmenbedingungen zu betrachten.
Kommunikationsverweigerung

Denn: Tatsächlich können wir Kommunikation nicht erzwingen. Und wenn jemand nicht mit uns reden will, ärgern wir uns meistens. Meist legen wir uns dann Theorien zurecht, um den eigenen Schmerz – der der hinter dem Ärger steckt – zu lindern. Oft bewerten wir den/die andere/n dabei negativ: Der/die will ja nicht; hat keine Ahnung; glaubt, etwas Besseres zu sein; ist immer so; typisch X …!

Das Blöde an der Sache ist: Diese Strategie lindert selten die eigene Gemütslage – und noch weniger hilft sie, die Kommunikation zu verbessern. Wenn ich also daran interessiert bin, damit fertig zu werden, kann es sinnvoll sein, sich die Situation noch einmal genauer anzusehen.

Rahmen betrachten

Im Beispiel von Teil 1 ging es um einen Vater, der auf einer Polizeiwache mit Beamten anlassbezogen über seinen autistischen Sohn sprechen wollte. Die Beamten wollten ihn nicht hören, verweigerten das Gespräch – und der Vater zog verärgert von dannen.

Sehen wir uns den Rahmen der Kommunikationsverweigerung genauer an:

  • Ort: Polizeiwache
  • Zeit: spontan, ohne Termin
  • Medium/Kommunikationskanal: mündliche Kommunikation vor Ort (ohne Ankündigung)
  • Thema: wurde nur von einer Person bestimmt, die am Gespräch teilnimmt (Vater) – die andere trifft es unvorbereitet
  • Teilnehmende Personen und Beziehung: Polizist*innen vor Ort (Sicherheitsbeamte mit gesetzlichem Auftrag, Amtsinhaber und damit auch „Respektsperson“ in dieser Rolle) und Vater (Bürger in privater Rolle)

Es ist bei einem Gespräch gut möglich, dass ein unpassender Rahmen die Kommunikation schwierig oder unmöglich macht (siehe auch  diesen Blog-Artikel über schwierige Gespräche): Ablenkung oder Lärm vor Ort, Überraschung oder Ärger beim Gegenüber, ein falscher Kommunikationskanal, ein schlecht gewähltes Wort, sodass die Person sich nicht wertgeschätzt fühlt …
Was immer es ist, es liegt vielleicht nicht unbedingt an der Bosheit des Gegenübers, sondern vielleicht an einer Komponente im Rahmen.

Diese Erkenntnis leistet vielleicht schon einen ersten Beitrag, damit wir uns weniger ärgern.

Außerdem könnten wir überlegen, wenn wir unser Thema dennoch weiter kommunizieren wollen: Lässt sich vielleicht etwas am Rahmen verändern? Gibt es andere Möglichkeiten, die Beamten über mein Thema zu informieren? Wäre es zum Beispiel möglich, ein Mail zu schicken (anderer Kanal), um einen Termin zu bitten oder nach einer günstigen Zeit zu fragen (andere Zeit), um anzurufen? Könnten wir andere Beamten darüber informieren als jene, die zufällig gerade vor Ort waren (andere Personen)?

Rahmen erweitern

Und nicht zuletzt: Könnte man den Rahmen vielleicht überhaupt verlassen? Geht es vielleicht um etwas ganz anderes? Ärgert sich der Vater aus unserem Beispiel darüber, dass sein autistischer Sohn in unserer Gesellschaft zu wenig Platz hat, generell zu wenig gehört, gesehen und wertgeschätzt wird? Wenn wir damit außerhalb des Rahmens denken: Könnte er vielleicht etwas ganz anderes tun, um seinen Sohn zu unterstützen, in der Gesellschaft bzw. im öffentlichen Raum stärker gesehen und akzeptiert zu werden?

Das wäre eine Strategie, sich ein Bedürfnis zu erfüllen. In unserem Fall könnte das einerseits das Bedürfnis sein, gesehen und wertgeschätzt zu werden (stellvertretend für den Sohn bzw. als Vater), aber vielleicht auch das Bedürfnis, für den Sohn zu sorgen.

Man muss aber nicht gleich den Rahmen sprengen. Denn es gibt Situationen, in denen am Rahmen nicht zu rütteln und Kommunikation schlicht nicht möglich ist.

Damit man mit seinem Ärger nicht isoliert zurückbleibt, hilft es, den eigenen Motiven und Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Wie das geht, erfahren Sie im dritten Teil dieser Serie.

Lesen Sie dazu auch die beiden anderen Blog-Artikel dieser Serie:
Teil 1: Macht und Ohnmacht im Gespräch und
Teil 3.: Kommunikationsverweigerung & Ohnmachtsgefühl

Wenn Sie übrigens Ihre Kommunikation in der Praxis verbessern wollen, sind wir gern für Sie da. Entweder mit unseren Coachings für Einzelpersonen oder mit unseren Inhouse-Trainings für Organisationen und Unternehmen.

Macht und Ohnmacht im Gespräch

Teil 1: KOMMUNIKATION BEI MACHTGEFÄLLE

Gespräche mit Menschen in Machtpositionen gestalten sich oft schwierig. Was tun, wenn jemand die Kommunikation verweigert?
Über die Faktoren Macht, Beziehung und Interesse in der Kommunikation.

Es ist schwierig mit jemandem zu kommunizieren, der mehr Macht hat und die Kommunikation nicht braucht oder möchte.Neulich erzählte mir mein Freund B von einem Missverständnis im Kontakt seines autistischen Sohnes mit der örtlichen Polizei, das leicht vermieden hätte werden können. Der junge Erwachsene, der sich nicht verbal ausdrücken kann, war laut johlend an der örtlichen Polizeistation vorbeigelaufen. Was für den Jugendlichen Ausdruck purer Lebensfreude ist, wurde von den Beamten als Aggression gedeutet. Sie waren knapp davor einzugreifen, als der Vater die Situation im letzten Moment entschärfen konnte.

Damit so etwas nicht noch einmal passiert, beschloss dieser, auf die Polizeiwache zu gehen und das Gespräch mit den Beamten zu suchen. Es ging ihm dabei darum zu erklären, woran man erkenne, dass es sich um Freude und nicht um Aggression gehandelt habe, aber auch darum, generell Verständnis dafür zu schaffen, wie sich sein autistischer Sohn in der Welt bewegt.

Als er zur Erklärung ansetzte, wollten die Beamt*innen jedoch nichts davon wissen, forderten ihn forsch auf zu gehen und vermittelten ihm auch körpersprachlich, dass sie an einem Gespräch kein Interesse hätten. Ohne zu Wort gekommen zu sein, zog er frustriert ab.

„Was kann ich denn tun, wenn mein Gegenüber die Kommunikation einfach verweigert?“, fragte er.

Die kurze Antwort: nicht sehr viel, aber ein bisschen was könnte schon gehen.

Die lange Antwort:
Sehen wir uns die Situation und die Beteiligten ein wenig genauer an. Bei unserem Beispiel geht es um Kommunikationsverweigerung aus einer Machtposition heraus. Und Macht ist auch bei anderen Gesprächen im Spiel, zum Beispiel beim Verhandeln.

Wenn es ums Verhandeln geht, sind drei Faktoren ausschlaggebend:

  • Macht
  • Interesse (am Thema)
  • Beziehungsebene

Sie bestimmen den Verhandlungsstil – und damit auch den Gesprächsstil – eines Menschen. Ist also eine Person gewohnt, ihre Interessen mit Macht oder Gewalt durchzusetzen, geht es ihr um die eigenen Themen, das Thema des anderen ist ihr egal, es besteht kein Interesse. Auch die Beziehung zum Gegenüber ist ihr gleichgültig (weil die Machtverhältnisse klar sind und sie auf das Gegenüber nicht angewiesen ist). Das heißt, ihre Motivation, die andere Seite zu hören, geht gegen null. Wir können davon ausgehen, dass Polizeibeamte durchaus gewohnt sind, ihre Interessen (bzw. die des Gesetzes oder des Staates) mit Macht durchzusetzen. Deshalb lassen sich die drei Faktoren Macht, Interesse und Beziehungsebene auf diese Situation übertragen.

Macht groß, Interesse klein und Beziehung bedeutungslos

Im Gespräch mit einer Person, deren Macht groß (und nicht veränderbar) ist, bleiben also nur die beiden Komponenten Interesse (am Thema) und Beziehungsebene als mögliche Anknüpfungspunkte. Sind diese beiden auch nicht erreichbar, stehen die Chancen, gehört zu werden, schlecht.

Sehen wir uns jetzt noch einmal unser Beispiel in Hinblick auf Macht, Interesse und Beziehung an.

Der Vater kommt mit seinem Anliegen auf die Polizeiwache. Natürlich sind ihm die Beamten an Macht überlegen. Er hat also nur die Möglichkeit, sie auf der Beziehungsebene zu erreichen oder ihr Interesse zu wecken. Gehen wir davon aus, dass das Interesse am Thema gering war („Ich brauch nicht zu wissen, wie ein Autist Freude ausdrückt“) und an der Beziehung ebenso („Das ist mein Revier, du brauchst hier nicht reinzuschneien, außer du willst eine Anzeige machen.“).

Beziehung herstellen

Der Vater muss seine Strategie damit sehr genau wählen. Trifft er die Beamten etwa bei der Mittagspause an, kann er vielleicht versuchen, über Smalltalk zum Essen eine positive Beziehung herzustellen.
Etwas tiefergehend könnte er versuchen, eine Verbindung über ein Bedürfnis des Gegenübers herzustellen, z. B. nach Wertschätzung: wenn er etwa mit einem Danke beginnt, dass der Polizist im Kontakt mit seinem autistischen Sohn auf Gewalt verzichtet oder auf die Begleitperson in der Situation gehört hat. Auch damit ließe sich Verbindung auf Beziehungsebene schaffen.

Interesse wecken

Interesse zu wecken kann deutlich schwieriger sein; vielleicht findet er die richtigen Worte, um die Polizist*innen dafür zu gewinnen, generell Interesse für die Bewohner*innen im Bezirk ihrer Wache zu entwickeln und daran anzuknüpfen. Vielleicht kann er an die Rolle als Elternteil anknüpfen (ist das Gegenüber vielleicht auch Vater oder Mutter?) und dadurch Interesse am Thema aufbauen. Patentrezept gibt es allerdings keines.

Auf Macht bauen?

Die letzte Komponente, Macht einzusetzen, bleibt ihm nur, wenn er den Rechtsweg beschreitet und hier versucht, die Macht der Beamt*innen zu verringern, indem er etwa selbst Macht auf Basis einer Beschwerde oder Klage ausübt. Es ist aber zu vermuten, dass er sich damit von seinem ursprünglichen Ziel, Verständnis für die Lebensumstände seines Sohnes zu wecken, eher noch weiter entfernen wird.

Kommen wir damit zur ersten, kurzen Antwort von oben: Es geht also nicht viel; aber ein bisschen was (z. B. auf Beziehungsebene) könnte schon gehen.

Die Antwort stimmt Sie unzufrieden? Sie meinen, mit den richtigen Tools müsste man jede Kommunikationssituation drehen können? Falsch gedacht!
Aber eines stimmt schon: Es lässt sich zwar nicht jede Situation drehen, aber wie man selbst mit einer schwierigen Kommunikationssituation umgeht, das lässt sich beeinflussen.

Hier geht’s zur Fortsetzung der Artikelserie:

Wenn Sie übrigens Ihre Kommunikation in der Praxis verbessern wollen, sind wir gern für Sie da. Entweder mit unseren Coachings für Einzelpersonen oder mit unseren Inhouse-Trainings für Organisationen und Unternehmen.

Quellen: Ponschab, Reiner: Kompetitive Verhandlungsstile – wie gehe ich damit um? http://docplayer.org/73278102-Kompetitive-verhandlungsstile-wie-gehe-ich-damit-um.html in: Knapp, Peter: Verhandlungs-Tools. Effiziente Verhandlungstechniken im Business-Alltag. managerSeminare, Bonn 2019, S. 169-173)

Bedürfnisse: Schuld sind immer die anderen.

Ein Plädoyer, in Zeiten der Pandemie mehr auf die verschiedenen Bedürfnisse zu hören und aufs vorschnelle Schubladisieren zu verzichten.

„Die Nachbarn haben unlängst Party gefeiert, das waren sicher zehn Leute und laut waren die! So etwas macht man doch in diesen Zeiten nicht! – Was, welche Vernissage? Ach, ja, letzte Woche. Na gut, ja, da waren auch viele, aber das ist Kultur, das muss doch sein dürfen. Und da gab es auch ein tolles Sicherheitskonzept.“

„Eine Bekannte war gerade in Kroatien, also wirklich, ist ja klar, dass die Zahlen jetzt wieder raufgehen. – Was? Das ist doch mit dem Trip nach Salzburg nicht vergleichbar! Das ist doch etwas ganz anderes, das waren doch nur zwei Tage.“

Der Ton wird gereizter, überall. Finger werden zunehmend nicht nur erhoben, sondern auf andere gerichtet – auf die, die das tun, was wir uns versagen, vor allem aber auf die, die etwas tun, was wir für unnötig erachten.

Statt mimt dem Finger auf andere zeigen, lieber deren Bedürfnisse hören.Verschiedene Bedürfnisse

Was gern übersehen wird: Wir haben verschiedene Bedürfnisse, weshalb wir ganz unterschiedlich unter den jeweiligen Maßnahmen leiden, verschieden darauf reagieren und unsere Handlungsspielräume variabel deuten.

Wer mit einer intakten Familie ein Haus mit Garten bewohnt, erlebt ein (partielles) Kontaktverbot anders als der Single in einer kleinen Stadtwohnung. Wer Brille trägt, viel schwitzt und dauernd unter fremden Menschen unterwegs ist, leidet unter der allgegenwärtigen Maske vor Mund und Nase stärker als jemand, der all diese körperlichen Nachteile nicht kennt oder die Maske nur auf dem kurzen Weg zur Arbeit aufsetzen muss.

Jede/r verteidigt das, was ihm oder ihr lieb ist. Es ist leicht, auf jene zu zeigen, die auf Partys gehen, wenn man selbst so etwas nicht (mehr) macht oder braucht. Es ist leicht, Kroatien-Urlauber zu verurteilen, wenn man selber Stammgast am Millstätter See ist, und es ist leicht, auf jene zu schimpfen, die nur schwer ihre Yoga-Stunde oder ihre Chorprobe aufgeben, wenn man selbst die Erfüllung im wohl noch länger erlaubten Lesen oder Computer-Spielen findet.

Ja, manche Maßnahmen müssen sein und je weniger Menschen die Maßnahmen einhalten, desto schlechter werden sie wirken. Gerade deshalb sollten sie von einer breiten Masse getragen werden – und für eine breite Masse tragbar sein. Was aber erträglich ist, hängt von der jeweiligen Lebenssituation ab. Wer wirtschaftlich vor dem Ruin steht, weil er/sie eine 140 Quadratmeter große Halle angemietet hat, um dort z. B. die vielzitierten Yoga-Kurse zu halten, jetzt aber trotzdem nur mit sechs Personen arbeiten darf, was nicht einmal die Mietkosten deckt, wird vielleicht weniger Verständnis für den Inhalt der Verordnung haben als jemand mit fixem Arbeitsplatz. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Und wer etwa in einer Bildungsinstitution mit jungen Menschen arbeitet, ständig mit ihnen Kontakt hat und sich daher dauerhaft der Gefahr einer Ansteckung aussetzt, wird wenig Verständnis für jene haben, die nicht bereit sind, sich für zehn Minuten eine Maske überzuziehen. Deshalb muss diese Person noch keiner Pandemie-Panik verfallen sein.

Schluss mit dem Fingerzeig!

Wir wissen meist nicht, warum andere so denken und handeln, wie sie es tun. Und doch urteilen wir schnell. „Ein Feind ist jemand, dessen Geschichte wir noch nicht gehört haben“, meinte die Friedensaktivistin Gene Knudsen Hoffmann.

Es existiert nicht nur Schwarz und Weiß und ganz sicher passen sehr viele Schattierungen zwischen „Corona-Leugner“ und „Corona-Hysteriker“. Besser, wir hören einander zu als wir stellen uns gegenseitig ins Eck und verunmöglichen damit jeden Diskurs. Fragen wir nach, was dem Gegenüber wichtig ist, anstatt  die Moralkeule zu schwingen. Besser wir gehen davon aus, dass auch jene, die unsere Meinung nicht teilen, legitime Bedürfnisse haben.

Leute, redet miteinander!
Hört einander zu!
Und hört auf, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen!

Roman Kellner und Elisabeth Gräf

Ein E-Mail – zwei Ebenen

So kurz ein E-Mail auch sein mag, es ist immer Platz für zwei Ebenen: eine sachlich-inhaltliche und eine persönliche.

Sandwichmethode: Beziehungsebene – Sachebene – Beziehungsebene. (Funktioniert genauso mit Burger.)Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einer Person Ihrer Wahl im Kaffeehaus und unterhalten sich. Sie sehen den Menschen, sie hören ihn, sie spüren seine Präsenz, ja, sie nehmen die Person auch – jenseits des Bewussten – geruchlich wahr. Kurz: Sie „lesen“ die Person mit fast allen Ihren Sinnen.

Am nächsten Tag finden Sie von dieser Person ein E-Mail in Ihrem Eingangsordner. Diesmal bleiben Ihnen nur die Augen, um die Botschaft zu lesen. Und doch werden Sie sich diesen Menschen vorstellen, ihn sprechen hören und vielleicht auch sonst sinnlich wahrnehmen. Die übrigen Sinne helfen Ihren Augen, ein vollständiges Bild zu erzeugen.

Das tun wir auch, wenn wir E-Mails von Menschen erhalten, die wir nicht kennen. Der Herr Doppeldoktor, der sich mit vorzüglicher Hochachtung verabschiedet, lässt ein anderes Bild entstehen als Claudia, die sofort per Du ist und mit „herzlichst“ ihr E-Mail beendet.

Es geht nicht nur ums Sachliche

E-Mails sind ein Kanal, der im Grunde nur einen Sinn bedient, und doch füllen wir die fehlenden Informationen auf. Wir können gar nicht anders. Wenn wir das schon wissen, dann sollten wir das Bild, das auf der anderen Seite entsteht, nicht dem Zufall überlassen. Überlegen Sie zum Beispiel bewusst, welche Begrüßung und Verabschiedung Sie wählen. Sie sollte zu Ihnen und zu der Beziehung zwischen Ihnen und dem/der E-Mail-Empfänger/in passen.
Und es ist, bei aller gebotenen Kürze der Textsorte E-Mail, nie verkehrt, vor dem eigentlichen Sachthema einen Satz auf Beziehungsebene einzustreuen – ein „Danke“ für ein E-Mail oder eine Information, eine Entschuldigung für eine entstandene Unannehmlichkeit, ein Wunsch nach Genesung oder ein schönes Wochenende.

Die einfache Formel für ein E-Mail lautet: Beziehungsebene – Sachebene – Beziehungsebene. Natürlich werden diese drei Teile nicht gleich lang sein. Erst recht gilt diese „Sandwichmethode“ für eine unangenehme Nachricht. Schlechte Neuigkeiten sind leichter verdaubar, wenn sie in etwas Nettes oder Persönliches eingebettet werden. Fallen Sie also nicht mit der Tür ins E-Mail-Haus, sondern klopfen Sie vorher an, grüßen Sie und puffern Sie eine Absage oder eine andere negative Nachricht entsprechend. Es geht eben, wie bei jeder anderen Interaktion zwischen Menschen, nicht nur um das, was man sagt, sondern auch darum, wie man etwas sagt.

Wenn Sie die Textsorte E-Mail interessiert oder Sie noch Fragen dazu haben, dann ist vielleicht unser Seminar „Mühelos E-Mailen“ etwas für Sie.

Lesen Sie doch noch andere Blogbeiträge zum Thema Mails, zum Beispiel “Sehr geehrter Untergebener”, “Kleiner E-Mail-Knigge” oder “Kleiner E-Mail-Knigge II”.

 

Bedürfnisse oder die richtige Raumtemperatur

Ist es nun kalt oder warm? Das entscheidet weniger das Thermometer, sondern das subjektive Kälteempfinden.Über Bedürfnisse zu diskutieren, ist ein sinnloses Unterfangen.

Wir arbeiten im selben Raum an unseren Computern. Ich trage ein T-Shirt, von meiner Partnerin sieht man nur die Augen. Sie rollen knapp oberhalb des Rollkragenrandes hin und her – auf der Suche nach einer siebenten Schicht, in die sie sich hüllen könnte. Auch in der Nacht ist es nicht anders: Decke ich mich auf Grund nächtlicher Hitzewallungen ab, schnappt sie sofort die Tuchent, weil zwei Decken und die gesamte Winterschlaf-Kollektion mehrerer Gewandkataloge noch nicht ausreichen.

Die Wohlfühltemperatur meiner Partnerin liegt drei Grad über der meinen, mindestens. Darüber lässt sich streiten und darüber haben wir gestritten. Allein: die Diskussionen führen zu nichts. Die eigenen Bedürfnisse stehen denen eines anderen Menschen gegenüber. Eine Wirklichkeit trifft auf eine andere Wirklichkeit.

Argumente versus Bedürfnisse

Da hilft es auch nicht – glauben Sie mir, ich habe es versucht –, mit Heizkosten oder Statistiken zu argumentieren. Ihnen kann ich es ja verraten: Ein Grad weniger Raumtemperatur spart sechs Prozent der Heizkosten. Aber das zählt als Argument nicht, wenn nur einer das Opfer bringt, wenn einem, in dem Fall einer, einfach kalt ist.

Daher: Versuchen Sie nie, den oder die andere/n von etwas zu überzeugen, was einer subjektiven Empfindung entgegensteht. Eine Temperatur-Diskussion zwischen einer Schnee-Eule und einem Känguru würde schließlich auch nichts bringen.

Kompromisse und Lösungen

Sie fragen sich, wie man das aushalten kann? Wie ich überlebe, ohne zu schmelzen? Nun: Leiden, damit nur der oder die andere sich wohl fühlt, ist keine Lösung. Und wahrscheinlich haben Sie es schon vermutet: Einfache Lösungen gibt es selten. Aber es gibt sie, die Möglichkeiten. Sie befinden sich allerdings jenseits der Zone „Recht haben/Recht bekommen“. In unserem Fall wäre das: Finden Sie Kompromisse und kreative Lösungen. Arbeiten Sie in getrennten Zimmern. Setzen Sie die hitzige Person näher zum Fenster. Denken Sie sich zeitliche Regelungen aus. Arbeiten Sie nicht gleichzeitig. Schaffen Sie eine Warm- und eine Kühlzone. Wie auch immer die Lösung in Ihrem Fall aussehen könnte: Stehen Sie zu Ihren Bedürfnissen. Aber akzeptieren Sie die Bedürfnisse des/der anderen als gleichwertig. Das vermeidet Streit. Und schafft manchmal ein ganz neues Arbeitsklima.

Neugierig geworden auf mehr Tipps und Tricks, wie Sie als Paar oder Team gut zusammenarbeiten, dann besuchen Sie doch unsere Angebote zu den Themen.

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Wider den Perfektionismus

An Winterschlaf war für Ignotius nicht zu denken, solange noch ein Blatt fehlte.In einem unserer letzten Newsletter griffen wir das Thema Perfektionismus mit diesem Cartoon auf. Die Unterüberschrift lautete: Perfektionismus kann zu gefährlichem Schlafmangel führen. Ein Freund wies uns dann in einer Antwortmail darauf hin, dass die Menschen, mit denen er zu tun habe, immer unverlässlicher würden, und dass ihre Arbeit immer weniger perfekt sei. Jeder denke mittlerweile, es sei ohnedies kein Problem, Fehler zu machen. Schuld an dieser Entwicklung hätten Coaches wie wir, die solche Botschaften verbreiteten.

Jedoch: Perfektion ist nicht Perfektionismus. Wir sagen nicht, dass Fehler egal sind. Nein. Fehler sind Fehler, man sieht sie, sie stören oft. Die Frage ist nur, wie ich mit ihnen umgehe! Sage ich: Es ist egal, wird schon passen, meine Arbeit wird auch mit Fehlern reichen? Dann gebe ich unserem geschätzten Leser Recht: Das führt nicht zu Qualität. Knüpfe ich an einen Fehler allerdings den Mut, aktiv zu werden und etwas zu verändern oder dran zu feilen, habe ich dazugelernt und kann daran wachsen.

Die zwei Seiten des Perfektionismus

In der Psychologie kennt man folgende Definitionen: einerseits das Streben nach Vollkommenheit, unter das hohe persönliche Standards und Organisiertheit fallen, andererseits die übertriebene Fehlervermeidung, die sich sogar krankhaft, etwa in Angstzuständen, äußern kann. Ignotius‘ Perfektionsmus fällt in die zweite Kategorie. Sein Perfektionismus ist gesundheitsschädlich und lässt ihn frieren. Mit etwas Pech wird er im Frühjahr nicht ausreichend Kraft haben, vielleicht sogar nicht über den Winter kommen. Warum? Er hat ein Bild davon, wie sein Ergebnis aussehen muss, das seinen eigenen, wahren Bedürfnissen nicht gerecht wird. Ignotius darf erst schlafen, wenn ALLE Blätter zu einer Schlafstätte verarbeitet sind, nicht etwa dann, wenn der Blätterberg gemütlich, groß und warm genug für seinen Winterschlaf ist. Der Igel hat ein vorgefertigtes, vielleicht von außen übernommenes Bild vom perfekten Blätterhaufen, nicht eines, das seinem ganz persönlichen, eigentlichen Bedürfnis entspricht. Sein Perfektionismus hat zu einem falschen Zielbild und somit nicht zu einem sinnvollen Arbeitsergebnis geführt – und das ist der Perfektionismus, vor dem es zu warnen gilt, dem man begegnen muss.

Diskurs der Machbarkeit

Unsere Gesellschaft wird bestimmt von einem Diskurs der Machbarkeit. Der perfekte Körper, die perfekte Beziehung, die perfekten Eltern, die perfekte Arbeit, die perfekte Geburt, die perfekte Gesundheit. Wir streben Perfektion an, überall. Und uns wird suggeriert, sie sei machbar. Mit Disziplin, Operationen, Kursen, die einem das Blaue vom Himmel versprechen, Wunderkügelchen, ausreichend Glauben an sich selbst – alles scheint schaffbar, machbar, wenn man nur wirklich will.

Ich habe nichts dagegen einzuwenden, ab und an mal etwas richtig perfekt hinkriegen zu wollen. Im Gegenteil. Es spornt einen an. Aber wirklich jeden Bereich perfektionieren zu wollen bedeutet, keine Luft mehr zu haben.
Perfekt heißt vollendet. Hier gibt es keinen Raum mehr. Keinen Freiraum. Zweckfreiheit. All das brauche ich aber. Und zwar um herauszufinden, wo ich hinwill, um mir ein Bild von meinem Ziel zu machen, um mein eigenes Bild der Zielerfüllung zu schaffen, nicht ein vorgefertigtes.

Erfüllbare und bedürfnisgerechte Ziele

Hilfreich ist daher nicht, auf selbstzerstörerische Art einem fixen Bild von etwas Perfektem nachzulaufen, sondern sich eigene Ziele so zu stecken, dass sie erfüllbar sind. Vielleicht ist die Anforderung ein bisschen kleiner – aber sie ist auch leichter zu erfüllen. Erweitern kann ich sie immer noch. Im Idealfall ist ein gutes Ziel eines, das ich mit meinen Bedürfnissen in Einklang bringen und mit meinen Fähigkeiten auch erreichen kann. Dann kann ich es vollenden – nicht in Perfektionismus, sondern in Perfektion.

Gute Nacht, Ignotius! Der Laubhaufen ist schon groß genug für einen erholsamen Winterschlaf! Hoffentlich hast du es noch rechtzeitig vor Kälteeinbruch geschafft!

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Arbeiten als Paar – mit einem klaren Ziel

Als Paar ein Buch schreiben, das kann klappen, muss es aber nicht.Egal, welche Arbeit man vor sich hat: Es ist wichtig zu wissen, was danach anders sein soll. Und das ist oft gar nicht so einfach. Angenommen, ich bin gerade dabei, einen Nagel einzuschlagen. Was ist mein Ziel? Ein gerade und korrekt eingeschlagener Nagel? Dass das Bild hängt? Ein schöneres Wohnzimmer? Oft bestimmt das Ziel, wie ich an eine Sache herangehe. Und hier wird es als Paar ganz besonders interessant. Schon allein ist es manchmal schwierig zu wissen, was man denn genau mit dem, was man tut, erreichen möchte. Zu zweit kann es eine echte Herausforderung sein.

Ein Buch, zwei Vorstellungen davon

Ich erinnere mich an unseren ersten gemeinsamen Buchversuch im Jahr 2004. Uns war klar, wir schreiben ein Buch über Verhörer, also Missverständnisse im Verstehen. Vermeintlich ein klares gemeinsames Ziel. Als die Arbeit jedoch nicht vorankam, mir nichts passte, was mein Partner schrieb und die Unzufriedenheit zunahm, wurde mir langsam klar: Ich fände zwar ein Verhörerbuch spannend, aber ich hätte es gern viel wissenschaftlicher. Kein nettes Büchlein mit anekdotisch verpackten, gesammelten Verhörern, sondern etwas, das mir als Sprachwissenschafterin gefiel. Und ich wollte, dass mein Partner dieses Ziel teilte. Ihm schwebte hingegen ein unterhaltsames, nettes Geschenkbuch für alle Gelegenheiten vor, ein wissenschaftliches Kapitel nur unter ferner liefen.

Erst nach und nach begriffen wir: Wir teilten nicht dieselbe Vorstellung vom Endprodukt. Wir versuchten uns zu einigen, allerdings brachte ich keine Energie auf, mich einem Buchprojekt zu widmen, zu dem ich nicht hundertprozentig stand. Das gemeinsame Projekt konnte nicht stattfinden. Kooperation gab es letztlich trotzdem: Roman schrieb sein Geschenkbuch – und ich ließ mein Wissen in ein Kapitel mit sprachwissenschaftlichem Hintergrund fließen. Das gemeinsame Schreiben, das gemeinsame Arbeiten an einem geteilten Ziel war jedoch vorerst gescheitert – unsere Vorstellungen vom Endprodukt waren zu unterschiedlich gewesen.

Neues Buch, neuer Versuch

Wie groß war also unsere Freude sechs Jahre später, als wir feststellten, dass wir die nächste Buch-Idee mit ähnlichen Zielvorstellungen angingen. Wir waren außerdem aus Erfahrung klug geworden. Jeder legte noch vor Projektbeginn offen, welche Vorstellungen er/sie in Bezug auf Umfang, Stil, Aufbau, Themen und Zielgruppe hatte. Im Gespräch konnten wir strittige Punkte ausräumen oder entsprechend der Kompetenzen verteilen. Je klarer die Ziele wurden, auch für die einzelnen Kapitel, desto eher konnten wir auch auf die Vorlieben des einzelnen achten – all das unter der Beachtung einer gemeinsamen, geteilten Vorstellung vom Endprodukt. Nie war arbeiten so schön. Wenn sich die Bilder beider Partner vom Ziel decken, ja, dann fällt die Arbeit mehr als doppelt so leicht.

Zu den Büchern:

Roman Kellner: Von Eisbärsalat bis Knöchelverzeichnis. Die besten Verhörer der deutschen Sprache, Wien: Ueberreuter 2005.
Das Buch hat zwei Auflagen erlebt und vergriffen, allerdings ist es gebraucht zu finden, z.B. hier und auch bei amazon. Es wird aber vermutlich demnächst als E-Book wieder auferstehen.

Elisabeth Gräf/Roman Kellner: Ziele und Zaubersprüche. Von Harry Potter und seiner Welt lernen, Potsdam: ÖkoSysteme-Verlag 2011.
Näheres unter: www.zieleundzaubersprueche.com

Seminartipp:

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