Künstliche Intelligenz, die solide Gebrauchstexte und sogar passable Gedichte schreibt, wirft für Bildungsinstitutionen sehr konkrete Fragen auf, die auf rasche Antworten drängen: Wie kann man in Zukunft noch Texte bewerten? Wie motiviert man Schüler*innen und Student*innen, sich schriftlich auszudrücken, wenn Chatbots besser und schneller texten? Und welche Fähigkeiten werden in ein paar Jahren wirklich gebraucht werden?
ChatGPT – was nun?
Seit etwa einem Jahrzehnt halten wir jedes Wintersemester einen stundenintensiven Schreibworkshop an der FH der Wirtschaftskammer Wien. Im vergangenen Jahr endete er zeitlich genau mit der Veröffentlichung der ChatGPT-Software und den damit einhergehenden Diskussionen. Wir sind froh, nun einige Monate Zeit zu haben, um zu beobachten, wohin die Reise geht. Die Debatten, was es bedeutet, wenn jede*r sich mit einem Klick, ohne zu plagiieren, Texte erstellen lassen kann, reißen nicht ab. Die Positionen driften weit auseinander. Manche Universitäten und weitere Bildungsinstitutionen wollen die KI einfach verbieten, wobei der Einsatz eines Chatbots nicht sicher nachweisbar ist. Andere verkünden, in Zukunft vermehrt auf mündliche Prüfungen und handschriftliche Tests zu setzten. Wieder andere teilen mit, die Software in den Unterricht integrieren und nur mehr an durch sie erstellten Texten arbeiten zu wollen. Alle diese Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile.
Wir kennen die richtige Antwort leider (noch) nicht, aber wir haben viel dazu gelesen, mit Kolleg*innen diskutiert und uns Gedanken gemacht.
Zehn Thesen:
- Die Technologie wird nicht mehr verschwinden, auch wenn wir ganz fest die Augen zudrücken. Wenn etwas mit einem Knopfdruck Arbeit erledigt, für die wir Stunden benötigen, hat es Bestand – und seine Berechtigung.
- Mag sein, dass sich das sehr bald ändert, aber ChatGPT schreibt derzeit noch recht viel Unsinn, weil es auf dem Informationsstand von Mitte 2021 ist, weil es Wissens- und Verständnislücken mit scheinbar beliebigen Inhalten füllt und weil es keine Quellen angibt. Inhaltlich verlässlich ist das Tool also (noch) nicht.
- Nur wer weiß, was guter Stil ist, kann einen solchen auch beurteilen, nur wer eine Ahnung von einer Materie hat, kann den Wert eines Textes inhaltlich einordnen. Die Kompetenz dazu muss man sich folglich weiterhin erarbeiten.
- Künstliche Intelligenz kann uns in kurzer Zeit das Produkt liefern, es kann uns nicht das Erlebnis und die Erfahrung, einen Text zu verfassen, ersetzen. Ja, ein Tool wie ChatGPT nimmt uns das Erleben dieses Prozesses sogar.
- Verbote, die nicht sehr gut begründet sind, machen Dinge meist noch attraktiver. Elektronische Geräte im Unterricht zu verbieten wird ganz schwer werden, vor allem bei den Jahrgängen, die mit Handy aufgewachsen sind und die Corona-Jahre in Ausbildung verbracht haben.
- Es ist zusätzlich schwer, etwas zu feiern und als Zukunft zu verkünden, und gleichzeitig im Unterricht zu kriminalisieren. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren bis in die Elementarbildung hinein einen enormen Schub erfahren. Ob gut oder schlecht – der Weg ist eingeschlagen.
- Schreiben zielt nicht nur auf das fertige Produkt ab, es kann viel mehr: den Geist klären, Gedanken ausdrücken, Kommunizieren, Sorgen ablegen u. v. m. Es ist also eine bewährte Strategie, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.
- Texten hat viel mit Kommunikation zu tun: Kommunikation funktioniert in der Regel besser, wenn ich mir vorher Fragen nach mir als Autor*in, dem Gegenüber (den Leser*innen) und dem Textziel stelle. Je genauer ich darüber vorher nachgedacht habe, desto spezifischer, interessanter und vermutlich auch unverwechselbarer wird der Text sein.
- Lernen hat viel mit Beziehung zu tun – zwischen dem/der Lehrenden und den Schüler*innen. Vielleicht sollte die Begleitung durch Lehrende künftig ganz anders aussehen, als Produkte und Leistungen zu beurteilen?
- Ein Text aus der Software kann gut sein, aber er kann niemals authentisch sein.
Doch besser selbst schreiben lernen?
Wenn Sie sich in Zukunft nicht auf ChatGPT verlassen wollen, schauen Sie sich doch unsere Angebote zum Thema Schriftliche Kommunikation an.