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Kein Streit trotz unterschiedlicher Stimmungen

Krachen Stimmungen  aneinander, sind oft dahinterliegende Bedürfnisse zu unterschiedlich. Wie lässt sich in solchen Situationen Streit vermeiden?

Mit den Koffern kommt auch viel Außenstimmunge ins Haus.Was für ein Seminar! Der Startrainer kehrt nach Hause zurück. Im Kopf und Gepäck das euphorische Feedback von 12 Teilnehmer*innen. Natürlich wird es einen Folgeworkshop geben. Und Spaß hatten wir! Gut, die Nacht zwischen den beiden Seminartagen war ein wenig kurz ausgefallen, aber wenn die Stimmung passt, lassen sich Schlafdefizit und Kopfweh gut wegzustecken. So komme ich nach Hause. Kaum sind die Koffer abgestellt, beginne ich zu erzählen. Ach was, erzählen – es sprudelt aus mir heraus. Ich will meine Frau und Partnerin teilhaben lassen und sie anstecken. Es ist ja nicht nur mein Erfolg, es ist der von WORT & WEISE – also von uns beiden.

Zwei Menschen – zwei Stimmungen

Doch sie schaut nur müde und scheint sich überhaupt nicht zu freuen. Irgendwann kommt sie zu Wort, erwähnt, ein Sohn hätte Zoff mit einem Freund, mit dem Hund hätte sie zum Tierarzt fahren müssen und, ach ja, die Heizung mache schon wieder Probleme. Sie sei in der Zwischenzeit überhaupt nicht dazu gekommen, die Angebote zu schreiben, die sie sich vorgenommen hatte. Ja, okay, blöd, ich war halt nicht da, ich bringe mich jetzt ohnedies ein, aber sie könnte sich ja dennoch freuen oder ein bisschen mitfeiern. In kurzer Zeit ist meine Euphorie verflogen, es bleibt das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden.

So etwas kann passieren. So etwas ist uns passiert – und zwar in beide Richtungen. Auch Elisabeth ist schon endorphingeladen, laut und randvoll mit Außenwelt bei der Tür hereingekommen – und auf das personifizierte Gegenteil gestoßen. Weil ich vielleicht gerade mit Alltäglichkeiten eingedeckt war, in einer leisen Stimme der Häuslichkeit steckte und das hohe Energielevel als aggressiv empfand.

Verschiedene Stimmungen als Konfliktursache, das gibt es in privaten Paarbeziehungen, in beruflichen Beziehungen und selbstverständlich auch, wenn man als privates Paar zusätzlich beruflich zusammenarbeitet. Schnell fühlt sich ein Part unverstanden, nicht gehört oder überrollt. Und doch sind wir diesem Aufeinanderkrachen von Stimmungen nicht hilflos ausgeliefert, und doch können wir den dreohenden Streit vermeiden.

Unterschiedlichen Bedürfnissen auf den Grund gehen

Wir können solche Konflikte mit ein wenig Erfahrung vorhersehen und entsprechend reagieren. Zwei Menschen erleben verschiedene Dinge und treffen dann mit entsprechend unterschiedlichen Gefühlen aufeinander, das ist in Ordnung. Die Gefühle der einen Person und auch das andere Energielevel, die Lautstärke oder das Tempo sind kein Angriff auf die andere Person. Wir müssen es nicht auf uns beziehen. Wir können uns in Erinnerung rufen, dass wir gerade in verschiedenen Welten unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Wir können jeder und jede feststellen und damit auch aussprechen, dass wir gerade beide jeweils woanders stehen und unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Auch wenn beide gerade ihre Realität mit dem anderen teilen würden: Offenbar braucht gerade jede*r etwas anderes. Was wir brauchen, dessen sollten wir versuchen, uns bewusst zu werden. Ist es Ruhe? Ist es Austausch – aber zu einer anderen Zeit? Dann können wir auch sagen, was wir brauchen. Im Idealfall äußern wir das in einer positiv formulierten, freundlichen, aber klaren Bitte – die der andere auch erfüllen kann.

Wir können kurz innehalten und uns fragen, was denn der andere gerade braucht – oder ihn bzw. sie selbst fragen. Wichtig ist dabei, ein Dialogfeld zu öffnen, das frei von Schuldzuweisungen bleibt – und dem Gegenüber zuzuhören und dessen Stimmung wahrzunehmen. Wir können darauf achten, beiden Beteiligten Raum zu geben und damit Streit vermeiden. Wenn beide diesen Raum bekommen, sei es durch Zeit, Ruhe oder ein offenes Ohr, dann ist Begegnung auch aus verschiedenen Wahrnehmungswelten und in verschiedenen Stimmungen leichter möglich – sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld.

Suchen Sie auch nach den richtigen Worten? Kommen Sie zu einem Kommunikationstraining von WORT & WEISE oder zum Kommunikations-Coaching für Einzelpersonen!

 

Kommunikationsverweigerung und Ohnmachtsgefühl

Macht und Ohnmacht im Gespräch, Teil 3:
Für sich selbst sorgen

Manchmal ist Kommunikation nicht möglich und es entstehen Ohnmachtsgefühle, Wut und Trauer. Wie geht man damit um?

Eine Möglichkeit, mit dem Ohnmachtsgefühl bei Kommunikationsverweigerung umzugehen, ist, gut auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu schauen. Und neben die des anderen zu stellen.Auf Whatsapp geblockt, Telefonat mittendrin abgebrochen (früher sagte man: den Hörer aufgelegt), Aussprache verweigert: Solche Situationen lassen uns ohnmächtig zurück. Jede*r geht anders mit dem Ohnmachtsgefühl um, die einen geben sich vielleicht selbst die Schuld, die anderen spüren Wut oder Aggression.

Tatsächlich können wir Kommunikation nicht erzwingen. Und unsere Gefühle, die aus einer Ohnmacht entstehen, verbessern meist weder unsere Gemütslage noch die Kommunikationssituation.

Wenn ich nun besser damit zurechtkommen möchte, kann es sowohl sinnvoll sein, sich die Situation und den Rahmen noch einmal anzusehen (mehr dazu im Blogbeitrag Kommunikationsverweigerung und Rahmenbedingungen), als auch sich mit Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Damit sind einerseits die eigenen Bedürfnisse gemeint (Wie fühle ich mich jetzt gerade? Welches Bedürfnis steckt hinter diesen Gefühlen? Was brauche ich wirklich?) als auch die Bedürfnisse des Gegenübers.

Bedürfnisse

Mit Bedürfnis sind Auslöser für Gefühle gemeint. Sie sind lebensnotwendig, sprich: Wir Menschen haben Bedürfnisse und sie sind die Grundlage für unser elementares Wohlbefinden. (Das, was im Marketing oft Kundenbedürfnis genannt, künstlich erzeugt und mit dem Kauf eines Produkts verknüpft wird, ist damit nicht gemeint. Vielmehr geht es um Grundbedürfnisse körperlicher und seelischer Art, z. B. von Nahrung, Luft und Ruhe bis zu Verbindung oder Wertschätzung.) Wer sich nicht sicher ist, was ein Bedürfnis ist, kann sich ein Baby vorstellen. Es braucht Luft, Wasser, Nahrung, Schutz, Raum, aber auch Nähe, Verbindung, Gesehenwerden, Gehörtwerden, Unterstützung, Struktur, Sicherheit …

Marshall Rosenberg, der Begründer der gewaltfreien Kommunikation, führt im Grunde alles – jegliches Befinden und damit auch alle Kommunikation – auf Bedürfnisse zurück. Sie können erfüllt sein, dann erzeugen sie ein gutes Gefühl; aber sie können eben auch nicht erfüllt sein, dann sind sie Ursache für ein schlechtes Gefühl. Und das gilt für uns alle.

Eigene Bedürfnisse hinter dem Ohnmachtsgefühl erkennen

Wer von der Kommunikation ausgeschlossen ist, weil er oder sie z. B. auf einem Kanal geblockt wurde, ein Missverständnis nicht aufklären durfte (siehe Macht und Ohnmacht im Gespräch, Teil 1) oder weil der/die andere einfach nicht mehr ans Telefon geht, fühlt sich beispielsweise ohnmächtig, traurig, wütend. Ein schlechtes Gefühl. Das bedeutet, (mindestens) ein Bedürfnis ist nicht erfüllt. Um welches Bedürfnis geht es?
Was hier ganz wichtig ist: Kein Bedürfnis ist nur auf eine einzige Art erfüllbar, es ist also nicht von einer bestimmten Situation oder Person abhängig. Bedürfnisse liegen auf einer tieferen Ebene. Das ist das Tröstliche: Bedürfnisse lassen sich auf unterschiedliche Weise verwirklichen.

Dazu muss man sie allerdings erkennen. Es kann heilsam sein, hier genauer hinzusehen und herauszufinden, ob ein Bedürfnis vielleicht anders erfüllbar ist. Geht es um Verbindung? Kann ich diese vielleicht im Kontakt mit anderen Menschen finden oder in einer Unternehmung? Fühle ich mich verletzt und traurig, brauche ich vielleicht Schutz? Dann werde ich diesem Bedürfnis nachkommen und gut auf mich aufpassen. Zusätzlich werde damit auch ich die Person sein, die selbst bestimmt, dass sie den Kontakt (vielleicht vorerst) meidet, und ich werde mich weniger ohnmächtig fühlen – weil ich selbst bewusst entscheide.

Nicht zuletzt ist es bei schwierigen Kommunikationssituationen immer wichtig, gut für sich selbst zu sorgen. Was kann ich mir Gutes tun, das mich stärkt, mich innerlich wieder auffüllt? Brauche ich Ruhe bei einem guten Buch, einem erfrischenden Spaziergang oder einem warmen Bad? Dabei geht es nicht um Ablenkung, sondern darum, mit sich selbst achtsam umzugehen.

Bedürfnisse des/der anderen erkennen

Und jetzt zum schwierigen Teil. Wenn ich mich mit meinen Gefühlen schon auseinandergesetzt habe und (wieder) zur Ruhe gekommen bin, hilft es oft, die Perspektive des anderen einzunehmen. Warum? Damit man sich weniger ärgert oder kränkt – und damit sich die eigene Einstellung ändern kann.

Sehen wir es uns genauer an: Auch das Gegenüber handelt aus bestimmten Motiven – denen Bedürfnisse zugrunde liegen. Er/sie hat die Kommunikation beendet. Welches Gefühl könnte zugrunde liegen? Und welche Bedürfnisse könnten dahinterstecken? Ruhe? Schutz? Klarheit? Wir können es nicht sicher wissen – aber die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des oder der anderen kann helfen, die Motive des Gegenübers zu verstehen und die Situation anzunehmen, auch wenn wir selbst damit nicht einverstanden sind. Dadurch können wir unsere eigene, vielleicht unversöhnliche Haltung aufgeben. Und das ist meistens sehr heilsam.

Darüber hinaus reißt uns die Reflexion und konstruktive Beschäftigung aus dem Ohnmachtsgefühl – denn wir tun ja etwas. Und das ist auf keinen Fall verkehrt.

Lesen Sie dazu auch die beiden vorangegangenen Blog-Artikel zum Thema:
Teil 1: Macht und Ohnmacht im Gespräch und
Teil 2: Kommunikationsverweigerung & ihre Rahmenbedingungen

Wenn Sie übrigens Ihre Kommunikation in der Praxis verbessern wollen, sind wir gern für Sie da. Entweder mit unseren Coachings für Einzelpersonen oder mit unseren Inhouse-Trainings für Organisationen und Unternehmen.

Kommunikationsverweigerung und ihre Rahmenbedingungen

Macht & Ohnmacht im Gespräch, Teil 2

Wer sich über Kommunikationsverweigerung ärgert, sollte sich die Bedingungen und die Situation ein bisschen näher ansehen. Manchmal lässt sich der Rahmen verändern – oder erweitern.

Im letzten Blog-Artikel haben wir uns ein konkretes Beispiel der Kommunikationsverweigerung angesehen. Wir haben die Situation unter dem Aspekt der Macht analysiert, um herauszufinden, auf welcher Ebene das Gegenüber erreichbar sein kann. Fazit: Das kann, muss aber nicht immer gelingen.

Um bei Kommunikationsverweigerung auf Augenhöhe zu kommen, kann es helfen, die Rahmenbedingungen zu betrachten.
Kommunikationsverweigerung

Denn: Tatsächlich können wir Kommunikation nicht erzwingen. Und wenn jemand nicht mit uns reden will, ärgern wir uns meistens. Meist legen wir uns dann Theorien zurecht, um den eigenen Schmerz – der der hinter dem Ärger steckt – zu lindern. Oft bewerten wir den/die andere/n dabei negativ: Der/die will ja nicht; hat keine Ahnung; glaubt, etwas Besseres zu sein; ist immer so; typisch X …!

Das Blöde an der Sache ist: Diese Strategie lindert selten die eigene Gemütslage – und noch weniger hilft sie, die Kommunikation zu verbessern. Wenn ich also daran interessiert bin, damit fertig zu werden, kann es sinnvoll sein, sich die Situation noch einmal genauer anzusehen.

Rahmen betrachten

Im Beispiel von Teil 1 ging es um einen Vater, der auf einer Polizeiwache mit Beamten anlassbezogen über seinen autistischen Sohn sprechen wollte. Die Beamten wollten ihn nicht hören, verweigerten das Gespräch – und der Vater zog verärgert von dannen.

Sehen wir uns den Rahmen der Kommunikationsverweigerung genauer an:

  • Ort: Polizeiwache
  • Zeit: spontan, ohne Termin
  • Medium/Kommunikationskanal: mündliche Kommunikation vor Ort (ohne Ankündigung)
  • Thema: wurde nur von einer Person bestimmt, die am Gespräch teilnimmt (Vater) – die andere trifft es unvorbereitet
  • Teilnehmende Personen und Beziehung: Polizist*innen vor Ort (Sicherheitsbeamte mit gesetzlichem Auftrag, Amtsinhaber und damit auch „Respektsperson“ in dieser Rolle) und Vater (Bürger in privater Rolle)

Es ist bei einem Gespräch gut möglich, dass ein unpassender Rahmen die Kommunikation schwierig oder unmöglich macht (siehe auch  diesen Blog-Artikel über schwierige Gespräche): Ablenkung oder Lärm vor Ort, Überraschung oder Ärger beim Gegenüber, ein falscher Kommunikationskanal, ein schlecht gewähltes Wort, sodass die Person sich nicht wertgeschätzt fühlt …
Was immer es ist, es liegt vielleicht nicht unbedingt an der Bosheit des Gegenübers, sondern vielleicht an einer Komponente im Rahmen.

Diese Erkenntnis leistet vielleicht schon einen ersten Beitrag, damit wir uns weniger ärgern.

Außerdem könnten wir überlegen, wenn wir unser Thema dennoch weiter kommunizieren wollen: Lässt sich vielleicht etwas am Rahmen verändern? Gibt es andere Möglichkeiten, die Beamten über mein Thema zu informieren? Wäre es zum Beispiel möglich, ein Mail zu schicken (anderer Kanal), um einen Termin zu bitten oder nach einer günstigen Zeit zu fragen (andere Zeit), um anzurufen? Könnten wir andere Beamten darüber informieren als jene, die zufällig gerade vor Ort waren (andere Personen)?

Rahmen erweitern

Und nicht zuletzt: Könnte man den Rahmen vielleicht überhaupt verlassen? Geht es vielleicht um etwas ganz anderes? Ärgert sich der Vater aus unserem Beispiel darüber, dass sein autistischer Sohn in unserer Gesellschaft zu wenig Platz hat, generell zu wenig gehört, gesehen und wertgeschätzt wird? Wenn wir damit außerhalb des Rahmens denken: Könnte er vielleicht etwas ganz anderes tun, um seinen Sohn zu unterstützen, in der Gesellschaft bzw. im öffentlichen Raum stärker gesehen und akzeptiert zu werden?

Das wäre eine Strategie, sich ein Bedürfnis zu erfüllen. In unserem Fall könnte das einerseits das Bedürfnis sein, gesehen und wertgeschätzt zu werden (stellvertretend für den Sohn bzw. als Vater), aber vielleicht auch das Bedürfnis, für den Sohn zu sorgen.

Man muss aber nicht gleich den Rahmen sprengen. Denn es gibt Situationen, in denen am Rahmen nicht zu rütteln und Kommunikation schlicht nicht möglich ist.

Damit man mit seinem Ärger nicht isoliert zurückbleibt, hilft es, den eigenen Motiven und Bedürfnissen auf den Grund zu gehen. Wie das geht, erfahren Sie im dritten Teil dieser Serie.

Lesen Sie dazu auch die beiden anderen Blog-Artikel dieser Serie:
Teil 1: Macht und Ohnmacht im Gespräch und
Teil 3.: Kommunikationsverweigerung & Ohnmachtsgefühl

Wenn Sie übrigens Ihre Kommunikation in der Praxis verbessern wollen, sind wir gern für Sie da. Entweder mit unseren Coachings für Einzelpersonen oder mit unseren Inhouse-Trainings für Organisationen und Unternehmen.

Jetzt hört halt mal zu!

Über das schlechte Image des Zuhörens – und warum es trotzdem so wichtig ist.

Zuhören ist zu mehr als 50 Prozent für das Gelingen eines Gesprächs verantwortlich.

Dass Zuhören mehr als die halbe Miete ist, wenn es um Kommunikation geht, ist heutzutage den meisten bekannt. Forschungen sprechen von 51 Prozent: Zu mehr als der Hälfte hängt also das Gelingen eines Gesprächs vom Zuhören ab.
Nur – wenn wir das alle wissen, warum ist es dann so schwer? Wieso klingt für viele zuhören langweilig? Und warum gilt es oft als vernachlässigbarer Soft Skill, auf den wohl nur jene pochen, die rhetorisch halt nichts auf die Reihe kriegen?

Zeit, das schlechte Image des Zuhörens näher zu beleuchten.

Herrschende Meinung über das Zuhören

Zuhören klingt halt gar so oft nach etwas, das man muss, auch wenn man gar nicht will – aus vielen Bereichen kennen wir es: Der König, die Vorgesetzte, der Lehrer spricht – das niedere Volk, die Untergebenen, die Kinder hören zu. Grund eins für ein schlechtes Image.

Grund zwei: Oft ist zuhören Teil einer unangenehmen Pflicht. Erst muss ich zuhören, dann muss ich tun, was ich nicht will; das beginnt mit Zimmer aufräumen und Hausübung machen in der Kindheit und reicht bis zum Ausräumen des Geschirrspülers in der Partnerschaft.

Und dann gibt es noch ein Problem: Meist kommt der Wunsch des Gegenübers, gehört zu werden, nicht als Bitte, sondern bereits als Vorwurf bei uns an: „Jetzt hör mir doch endlich zu!“ Wir wissen dann: „Ui, ich hab‘ schon etwas falsch gemacht“, fühlen uns schuldig – und mit diesem Gefühl im Bauch wird Zuhören zu einer beinahe unmöglichen Aufgabe. Denn wer wirklich zuhört, ist voll präsent und in Gedanken beim anderen. Wer mit unangenehmen Gefühlen beschäftigt ist, tut sich damit schwer. Klar, oder?

Aber auch die Sprachwurzel bestätigt den Eindruck, hören hätte immer auch etwas mit gehorchen zu tun. Schon im Mittelhochdeutschen wurde [hoeren] auch für „auf etwas hören, einem Rat oder einer Aufforderung nachkommen“ gebraucht. Daraus entwickelt hat sich das Horchen und in weiterer Folge auch das Ge-horchen. Hören und Gehorsam sind also auch sprachlich eng miteinander verwandt. Dass die Rolle des/der Hörenden da nicht unbedingt immer positiv besetzt ist, scheint logisch. Selbstbestimmte moderne Menschen horchen nicht gern, gehorchen auch nicht unbedingt jemandem – und gehören (auch dieselbe Wurzel) schon gar nicht!

Und schon die Lateiner wussten: Wer schweigt, stimmt zu. Da hat man doch schnell mal Angst, der/die andere könnte im Gespräch meinen, man würde zu allem ja und Amen sagen, wenn man nicht sofort widerspricht! Da können noch so viele Kommunikationspsychologinnen und -psychologen erklären, dass zuhören nicht mit zustimmen ident ist. Irgendwie scheinen wir das unterschwellig zu glauben. Wie, nur wie bekommen wir diesen (Aber-)Glauben weg? Schließlich könnten wir ja gut zuhören – und nachher immer noch widersprechen, nicht wahr?

Die Bedeutung an der Wurzel packen

Also gehen wir noch einen Schritt weiter zurück, vor das Althochdeutsche: Dort treffen wir auf die indogermanische Sprachwurzel [keu], aus der sich das Hören entwickelt hat. Keu beinhaltet folgende Bedeutungen: auf etwas achten, merken, bemerken, hören, sehen. Da kommen wir der Sache doch schon näher! Auf etwas achten, unser Gegenüber wirklich wahrnehmen, bemerken, hören und sehen – ja, das wollen wir im Gespräch. Da kann man gut und gern auch anderer Meinung sein; ja, vielleicht hilft es sogar bei einer Replik, wenn man vorher wirklich verstanden hat, was der/die andere gesagt hat, auch wenn man nicht einverstanden ist.

Aktiv aufnehmen, was vom Gegenüber kommt, was er wirklich meint, fühlt und transportieren will – ja, das ist zuhören. Wenn wir auf die tiefere Bedeutung zurückgreifen, dann kommen wir dem wertvollen Zuhören, das ein Gespräch zum Erfolg führt, viel näher, und können all die anderen alten, vielleicht negativ besetzten Bedeutungen hinter uns lassen. Aktiv, selbstbestimmt – also ganz bei sich – und zugleich ganz aufmerksam beim anderen sein. Das, ja, das ist zuhören.

Zuhören ausprobieren

Beim nächsten Gespräch, das Sie führen: Versuchen Sie, bewusst zuzuhören! Wie das geht?

1. Nicht sofort antworten, wenn Ihr Gegenüber etwas erzählt: keine Bewertungen, keine Tipps. Hören Sie eine Zeit einfach nur zu. Natürlich können Sie Gesten oder Äußerungen machen, um zu signalisieren, dass Sie dem Gesagten folgen.

2. Achten Sie nicht nur auf den Inhalt. Wie geht es der Person, die gerade spricht? Ist sie glücklich? Zufrieden? Verärgert?

3. Bevor Sie antworten, fassen Sie kurz zusammen, was Sie verstanden haben. So manches Missverständnis lässt sich dadurch vermeiden!

4. Das können Sie übrigens auch tun, wenn das Gespräch zu einem Monolog zu werden scheint. Fragen Sie freundlich nach, ob Sie kurz zusammenfassen dürfen, was Sie bisher verstanden haben.

Nicht nur, aber auch ums Zuhören  geht’s in unseren Kommunikationstrainings und Seminaren zu Gesprächsführung.  Dort lernen Sie, wie ein Gespräch gelingt – und was Sie alles dafür tun können.

Eine Methode, wie Sie das Zuhören üben können, finden Sie mit der Ja-und-Methode auf unserem Youtube-Kanal.

Von Queenie Goldstein lernen: Verbindung herstellen durch Empathie

queenie_180Queenie Goldstein aus den “Phantastischen Tierwesen” ist die Gabe der Legilimentik angeboren. Im Gegensatz zu Vertretern dunkler Magie verknüpft sie diese  Kunst mit Empathie. Von ihr können auch Muggel viel lernen.*

Im Universum von Joanne K. Rowling tritt Legilimentik als die Gabe auf, in die Gefühls- und Gedankenwelt anderer Personen einzudringen. In den Potter-Romanen steht diese Kunst durch Zauberer, die sich in ihrem Eigeninteresse gewaltsam Zutritt zum Geist anderer verschaffen, in schlechtem Ruf, weil sie ausschließlich manipulativ genutzt wird.

Eine gänzlich andere Art, Legilimentik einzusetzen, als einen regelrechten Angriff auf das Innenleben anderer zu starten, praktiziert Rowlings Charakter Queenie Goldstein im Film „Phantastische Tierwesen“. Der außergewöhnlichen New Yorker Magierin ist die Gabe, die mehr umfasst, als nur Gedanken zu lesen, angeboren. Allerdings setzt sie diese Fähigkeit außer in Notsituationen niemals zu ihrem eigenen Nutzen ein, sondern zur Unterstützung ihres jeweiligen Gegenübers. Ihr gelingt es, mit Feingefühl, Sanftmut und einem Hauch Naivität eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen, in der eine echte positive Verbindung zwischen ihr und ihrem Gegenüber entsteht.
Queenie agiert immer gewaltfrei. Ihr geht es nicht darum, mittels Wissen über eine Person Macht zu gewinnen, sondern sie teilt die Gefühle der anderen, vermittelt Geborgenheit und lebt mit. Die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Mitmenschen erschließt sich ihr unwillkürlich; manchmal scheint es, als würden durch ihre Präsenz vermehrt intensive, vielleicht bedrohliche, jedenfalls aber bedeutsame Erlebnisse und Gefühle in den Menschen wach, die sie sich vielleicht sonst nicht eingestehen. Mit ihrer achtsamen Haltung und indem sie Gefühle und Gedanken nicht bewertet oder beurteilt, unterstützt Queenie sie dabei.

 Legilimentik à la Queenie ist für Muggel Empathie

Die Fähigkeit, eine positive Verbindung – auch über gedankliche Grenzen hinweg – herzustellen, ist nicht nur Hexen und Zauberern vorbehalten, es gibt sie auch in der Muggelwelt: Wir kennen sie als Empathie: die Fähigkeit, mit dem Gegenüber mitzuempfinden.
Wie bei der Legilimentik kommt es auf die innere Haltung an, wenn Empathie im Spiel ist. Wer empathisch ist, urteilt nicht über Gefühle, es gibt auch keine Hierarchie zwischen Gefühlszuständen („Der Arme! Ihm geht es so schlecht – Gott sei Dank geht es mir besser.”). Empathie ist die Bereitschaft, wie Queenie Goldstein mit dem anderen ein Stück weit in seinem Gefühl mitzugehen, sich darauf in ganzer Präsenz einzulassen, ihn zu begleiten, ganz anzunehmen, was er oder sie gerade empfindet, und vielleicht dazu beizutragen, dass er selbst dieses besser erkennen oder gar annehmen kann.

Was also können wir von Queenie lernen?
  1. Echte Empathie schafft Verbindung, urteilt nicht und kann Unterstützung bedeuten. Urteile stehen ihr im Weg. Jene Zauberer, die Legilimentik nur über den Kopf und ohne Herz betreiben, dringen gewaltsam in die Gedanken ihres Gegenübers ein und tun dies zu ihrem eigenen Vorteil. Auch dieses Phänomen gibt es in der Muggelwelt, etwa wenn Verkaufstrainer vermeintlich auf die Bedürfnisse ihres Gegenübers eingehen oder sogar bewusst bestimmte Gefühle erzeugen, nur um ein bestimmtes Produkt zu verkaufen oder Einfluss zu üben. Das hat natürlich mit Empathie nichts zu tun.
    Wahre Empathie im Sinne Queenie Goldsteins bietet die Möglichkeit, über das Herz Kontakt zu einer anderen Person aufzunehmen und sich in ihr Denken, Fühlen und Erleben hineinzuversetzen. Sie kennt keinen Eigennutzen und stellt keine negative Grenzüberschreitung dar, sondern besteht im ehrlichen Interesse am anderen und macht so eine Verbindung möglich. Diese Haltung zu erlernen, ist vielleicht fast so schwer wie zu zaubern. Die Wirkung kann jedoch ebenfalls magisch sein.
  2. Wer empathisch wie Queenie Goldstein sein will, sollte mit den eigenen Gefühlen ins Reine kommen und das auch wollen, was bedeutet, auch den eigenen Empfindungen offen zu begegnen und nicht über sich selbst zu urteilen.
    Die hohe Kunst erlernt, wer die eigenen Bedürfnisse ganz wie die positiven Vertreter der Legilimentik nicht aburteilt und dann auch die des Gegenübers akzeptieren kann.
  1. Anhand von Queenies Beispiel lässt sich gut erkennen, dass Empathie nicht bedeutet, die Gefühle oder auch Probleme des anderen zu den eigenen zu machen. Queenie ist sich ihrer eigenen Gefühle und auch ihrer eigenen Werte ganz bewusst. Wenn sie mit anderen mitfühlt, bedeutet das nicht, dass sie deren Gefühlswelt, Meinungen oder Probleme übernimmt. Sie geht nicht im Gegenüber auf.
Die Haltung macht den Unterschied – bei Muggeln wie bei Zauberern

Natürlich kommen nur die wenigsten als Legilimentiker auf die Welt. Und für Muggel ist diese Kunst weder erlernbar noch vielleicht wirklich erstrebenswert. Doch von Queenies Haltung lernen wir: Jemandem in Empathie zu begegnen, schafft eine ganz andere Basis, ob für ein Gespräch, eine gemeinsame Unternehmung oder auch für die Zusammenarbeit. Wichtig ist dabei nicht, für den anderen Probleme zu lösen, zu überzeugen, Hilfe anzubieten oder sich eine Strategie für ihn ausdenken, sondern einzig, die Person in ihrem Gefühl zu begleiten.

Denn in einer einfühlsamen Begegnung ist nicht selten eine andere Form von Lösung möglich: Oft löst sich beim Gegenüber allein durch eine achtsame Begleitung in die eigene Gefühlswelt etwas. Er oder sie ist dann vielleicht weniger angespannt, kann vielleicht besser durchatmen, etwas loslassen, weil er/sie sich nicht rechtfertigen oder erklären muss, sondern sich verstanden fühlt. Das hilft dabei, die Situation anzunehmen oder sogar einmal Ideen für einen nächsten Schritt zu entwickeln. Das muss aber auch nicht sein.
Wichtig ist, dass zwei Menschen gerade voll und ganz präsent und gegenwärtig sind. Und solche Momente sind kostbar, ja, magisch vielleicht.

*Dieser Text ist die Kurzfassung eines Kapitels für eine geplante, erweiterte Neuauflage unseres Buches „Ziele und Zaubersprüche“, das derzeit leider nur als E-Book erhältlich ist. Mehr dazu auf ZIELE UND ZAUBERSPRÜCHE.

Quellen:

https://ew.com/article/2016/08/05/fantastic-beasts-queenie/

https://de.harry-potter.wikia.com/wiki/Legilimens

https://www.zeit.de/kultur/2017-06/empathie-gefuehle-achtsamkeit-training-10nach8

https://twitter.com/jk_rowling/status/809156500023341057?lang=de

https://de.harrypotter.wikia.com/wiki/Pukwudgie_(Haus)

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