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Worte, die wir für uns schreiben

Ein Block, ein Stift, mehr braucht es nicht.Freewriting ist eine bewährte Methode, die Gedankenschleusen zu öffnen und ohne Eigenzensur Buchstaben zu Papier zu bringen. Das tut dem Schreibenden gut – und oft auch dem Text.

Schon in einem früheren Blog-Beitrag haben wir uns des schönen Films „Forrester – Gefunden!“ (engl.: Finding Forrester) bedient. Damals zitierten wir den Satz „Die erste Version schreibt man mit dem Herzen, die zweite mit dem Verstand.“ Nun haben wir den Film wieder einmal in der letzten Einheit unseres Textworkshops mit den FH-StudentInnen angesehen und sind auf ein weiteres Juwel gestoßen: „Warum sind Worte, die wir für uns schreiben, immer besser als Worte, die wir für andere schreiben?“, fragt Sean Connery als alternder Autor William Forrester den jungen Jamal Wallace.

Die Antwort liegt auf der Hand: Ist ein Text für niemanden bestimmt, haben die Zensoren Pause. Wer kennt sie nicht? Die kleinen unsichtbaren Männchen, die da links und rechts auf der Schuler sitzen und einem ins Ohr flüstern: „Der Text wird sicher schlecht!“, „“So kannst du das nicht schreiben!“, „Was werden die Leser/innen denken?“

Natürlich haben die Kerle auch eine Funktion, sie helfen uns irgendwann, Texte noch besser zu machen, bewahren uns vielleicht davor, einen allzu schlechten Text abzugeben. Aber sie können auch wirklich lästig sein, vor allem am Beginn des Schreibprozesses, wenn es um die Rohfassung geht.

Hat ein Text aber keine Zielgruppe, entsteht er für die Schublade, ist er frei von solchen Ängsten. Warum sind die Abschiedsreden von Politiker/innen oft die besten? Weil sie frei sind von Zwängen und Pflichten, weil sie von Herzen kommen. So ist es auch bei Texten, die einfach so entstehen.

Seit den 1960er-Jahren nennt man diese Methode Freewriting, tatsächlich ist sie viel, viel älter. Allerdings verstecken sich hinter dem Fachbegriff zahlreiche unterschiedliche Ansätze: Vera F. Birkenbihl zum Beispiel nannte das Schreiben für die Seele „Kläranlage des Geistes“, sie empfahl, abends vor dem Schlafengehen zu einem Stift zu greifen, um Belastendes zu Papier und damit aus dem Kopf zu bringen. Susan Cameron spricht in ihrem Bestseller „Der Weg des Künstlers“ von Morgenseiten und rät zu einem zwölfwöchigen Schreibritual in der Früh. Während diese beiden eher das Schreiben ohne Thema propagieren, gibt es andere, die sehr wohl auch ein Thema an den Anfang stellen. Allen aber ist gemeinsam, dass es ein Schreiben ohne Innehalten, Bewerten und Nachdenken sein soll.

Und so geht’s

Stellen Sie eine Uhr, Ihr Handy oder den Herd so ein, dass es nach zehn oder fünfzehn Minuten läutet. Nun brauchen Sie sich um die Zeit nicht weiter zu kümmern. Nehmen Sie einen Block und ein Schreibgerät zur Hand und legen Sie los. Zur Hand ist tatsächlich besser für den Schreibfluss, aber natürlich können Sie auch eine Tastatur verwenden. Schreiben Sie nun alles auf, was Ihnen durch den Kopf geht – ohne abzusetzen. Sie müssen nicht bei einem Thema bleiben, sie müssen auch keine Gedanken fertig denken, Sie müssen gar nichts. Doch: eines, weiterschreiben. Wenn Ihnen ein Gedanke dazwischenfährt, schreiben Sie ihn auf. Stoppen Sie nie, um nachzudenken oder das Geschriebene durchzulesen. Das können Sie nach der abgelaufenen Zeit tun – oder auch nicht.

Wenn Sie sich auf das Freewriting einlassen, dann erleben Sie vielleicht das, was gerne Flow genannt wird, oder sie stoßen auf einen interessanten Gedanken oder auf die Erkenntnis, dass Sie tatsächlich zehn oder fünfzehnt Minuten am Stück schreiben können. Und das ist doch schon etwas! Wenn Sie das nämlich können, dann schreiben Sie beim nächsten Mal vielleicht auch einen verlangten Text mit mehr Lockerheit und zeigen den Zensoren ganz einfach die Zunge.

Zum Abschluss noch ein Tipp und noch einmal William Forrester: „Hau in die Tasten, verdammt!“

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Rohfassung: Froh texten dank Rohtexten

Sean Connery gibt als William Forrester wichtige Schreibtipps.Warum es Zeit spart, beim Texten den Umweg über ein Rohfassung zu nehmen – und was das mit Sean Connery zu tun hat.

Frank hatte zwei Stunden für den Text veranschlagt, ausreichend Zeit für 1.500 Zeichen, dachte er. Doch nach einer Stunde bastelte er immer noch am ersten Satz herum, die Delete-Taste glühte vom häufigen Gebrauch und Frank zweifelte an seinen schreiberischen Fähigkeiten.

Was war schiefgelaufen? Nun, Frank wollte vom ersten Satz an die fertige Version texten. Und gerade der Einstieg eines Textes, so viel weiß Frank, ist wichtig.

Nur: So funktioniert der Schreibprozess nicht. Bei jedem Text, der länger als ein paar Sätze ist, empfiehlt es sich, mit einer Rohfassung zu beginnen, also einer ungeschliffenen Version.

Im sehenswerten Film „Finding Forrester“ rät Sean Connery als alternder Literat seinem Schüler Jamal, die erste Version eines Textes mit dem Herzen zu schreiben, die zweite mit dem Hirn. Das ist ein guter Tipp, weil am Beginn die Intuition das Ruder übernehmen sollte, das Hirn aber schnell die anfangs destruktive Rolle des Zensors spielt.

Tippen statt Denken

Tippen (oder kritzeln) Sie also wild drauflos, heben Sie sich Ansprüche auf den perfekten Text für später auf oder noch besser: Verbannen Sie diese endgültig. Beginnen Sie irgendwie. Wenn Sie keine Idee für den ersten Satz haben, dann schreiben Sie genau das hin: „Hier fehlt mir noch ein erster Satz.“ Damit ist die gähnende Leere der Word-Datei durchbrochen und es kann losgehen. Lassen Sie die Wörter und Sätze aus sich herausbrechen, verschwenden Sie in dieser Phase keine Zeit an Grammatik und korrekte Schreibweise. Lassen Sie Brüche und Gedankensprünge zu. Enden sie erst, wenn Ihnen nichts mehr einfällt.

Erst dann geht es an den Feinschliff, ans Verschieben, Ausformulieren und Kürzen. Manchmal liest sich der erste Entwurf, wie es die amerikanische Schriftstellerin Joyce Carol Oates beschreibt „als schöbe man eine Erdnuss mit der Nase über einen völlig verdreckten Boden“. Dann wieder fehlt vielleicht gar nicht so viel am Weg zur Endfassung. In jedem Fall wird etwas da sein, mit dem Sie arbeiten können. Verpassen Sie nun dem Text den letzten Schliff. Finden Sie auch einen guten ersten Satz, denn der ist wichtig, in jedem Text. Aber nicht von Beginn an.

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