Texte können viele Funktionen haben, aber fast alle sollten so geschrieben sein, dass sie den Leser/innen Unterhaltung bieten. Das erhöht die Chance, dass sie auch bis zum Ende gelesen werden.
„Nichts ist leichter als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht.“
Arthur Schopenhauer
Vor mir liegen zwei Bücher zum Thema Ökonomie: „Die Zukunft des Wachstums. Theoriegeschichte, Nachhaltigkeit und die Perspektiven einer neuen Wirtschaft“ von Fred Luks und „Zahlen bitte! – Die Kosten der Krise tragen wir alle“ von Markus Marterbauer. Wir können davon ausgehen, dass beide Autoren (und ihre Verlage) sich viele LeserInnen wünschen. Doch wie versuchen sie diese zu locken? Marterbauers erster Satz lautet: „Ist es angemessen, die Steuerpflichtigen in Österreich für die Staatsschuldenkrise in Griechenland, Irland und Portugal zahlen zu lassen?“ Eine Frage also am Beginn, ein kraftvoller Opener, der Neugier auf die Antwort weckt.
Der Klappentext von Luks’ Buch klingt hingegen so: „Das Leitbild einer zukunftsfähigen Entwicklung, dessen Zielsetzung ein menschenwürdiges Leben und Bedürfnisbefriedigung heute und in Zukunft ist und das auf der Forderung nach intra- und intergenerativer Gerechtigkeit beruht, erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit Fragen nach der Möglichkeit und Wünschbarkeit weiteren Wachstums.“ Ein Endlossatz, mit weit voneinander getrennten Subjekt und Prädikat, dafür gespickt mit Fremdwörtern – da ist er eingeschlafen, der Leser, da hat sie das Buch wegegelegt, die Leserin.
Ich habe diese Beispiele gewählt, weil beides Sachbücher sind und weil beide die für viele langweiligen Themen Wirtschaftskrise, Wachstum und Nachhaltigkeit behandeln. Diese Themen sind natürlich überhaupt nicht langweilig – wenn sie spannend aufbereitet werden.
Ein Recht auf Unterhaltung
Den Anspruch, einen Text so unterhaltsam zu schreiben, wie es der Rahmen erlaubt, sollte jeder Verfasser und jede Verfasserin an sich stellen. Und der Rahmen erlaubt meist mehr, als Sie glauben. Natürlich ist ein Roman eine andere Textsorte als ein Bericht, ein Newsletter verfolgt andere Ziele als ein Gesetzestext. Und doch sollten auch Berichte und Gesetzestext so verfasst sein, dass die Zielgruppen sie gerne lesen, dass die Leser und Leserinnen keine unnötigen Hürden überwinden müssen.
Nehmen wir die traurigste Textsorte, die wir kennen: die Parte. Wenn es kein Recht auf Unterhaltung gäbe, wenn nur Texte, die dem Vergnügen dienen, ausgeschmückt und ansprechend gestaltet wären, dann müsste sie als schmuckloser und rein informativer Zettel daher kommen. Tut sie aber im seltensten Falle. Weil es den Hinterbliebenen ein Anliegen ist, die traurige Nachricht mit einem Zitat, einem Bild und den richtigen Worten zu versehen. Und weil sie finden, dass die Empfänger/innen der Nachricht ein Anrecht darauf haben. So ist es mit Texten, so sollte es mit allen Texten sein.
Es geht nicht darum, immer Geschichten zu erzählen, Literatur zu verfassen oder zu jedem Thema einen Schwank parat zu haben. Aber überlegen Sie sich doch als ersten Schritt in Ihrem nächsten Mail, in Ihrer nächsten Einladung oder Aussendung, ob Sie auf die formale Standardfloskel zurückgreifen oder ob Sie nicht doch einen etwas persönlicheren oder auf die Adressatin/den Adressaten zugeschnittenen ersten Satz finden – oder auch nur ein Wort. Das kann ein klein wenig mühsamer sein, Floskeln sind mitunter zeitsparend. Aber die Leser/innen werden es ihnen danken und für die schreiben Sie schließlich.
Mehr, viel mehr solche Informationen warten in unsren angeboten zum Thema Schreiben oder Storytelling.