Oft fehlen uns die Worte, wenn uns verbale Aggression entgegenschlägt. So wie meiner Schwester früher, wenn sie im öffentlichen Raum Installationen aus Ballons errichtete. Doch nun hat sie einen Antwortsatz – und der erzielt seine Wirkung.
Meine Schwester Sabina Kellner ist nicht nur studierte Raumplanerin und grüne Stadträtin in Purkersdorf, sondern auch hauptberuflich Ballonkünstlerin. Nein, es geht nicht um biegsame Latexhunde, sondern meist um Großinstallationen und Ballonlandschaften für Einkaufszentren, Messen oder Hochzeiten. Sie gewann im Jahr 2004 die Europameisterschaft, schaffte es mit einem internationalen Top-Team ins Buch der Rekorde und bereiste im Rahmen ihrer Tätigkeiten Länder wie China und Russland: Sie versteht ihren Job.
Doch auch das Schöne und Fragile hat seine Feinde. So kommt es immer wieder vor, dass bei Aufbauarbeiten im öffentlichen Raum jemand fragt: „Und was machst, wenn ich jetzt einen Ballon zerplatze?“ oder „Schau, ich habe da eine Zigarette.“ Nicht immer, aber meist sind es Männer.
Ich kenne Sabinas Werke, ich weiß, wieviel Freude sie Menschen bereiten. Die Idee, sie mutwillig kaputt zu machen, ist bizarr, aber offenbar rufen sie bei einigen Menschen destruktive Energien hervor. Vielleicht ist es gar nicht allzu böse gemeint, möglicherweise triggern die dünnheutigen Ballons etwas in den Passanten wie die Luftblasen in Verpackungsfolien. In jedem Fall aber ignorieren diese Personen, dass sie mit ihrer Bemerkung auch den Menschen verletzen. Meine Schwester beschäftigte daher die Frage: Was kann man auf so eine verbale Aggression kontern?
Die Frage elegant mit einer Gegenfrage parieren
Das ist generell spannend, weil wir ja immer wieder mit Aussagen konfrontiert werden, die uns scheinbar ohnmächtig zurücklassen. Sie kommen vielleicht wie diese anlasslos, aggressiv oder gar bösartig daher. Viele Antworten gehen einem durch den Kopf. Sie speisen sich aus den verschiedenen Gefühlen, die da nach vorne drängen, etwa Zorn, Ohnmacht, Wut oder Hilflosigkeit. Oft hat Sabina mit Zynismus geantwortet: „Das hat ja noch nie jemand zu mir gesagt!“ oder „Wie originell!“
Doch mittlerweile ist sie bei folgender Antwort gelandet: „Und warum wollen Sie etwas Schönes zerstören?“ oder auch „Warum wollen Sie denn etwas, was so vielen gefällt, kaputt machen?“ Sie stellt die Frage weder aggressiv noch zynisch, sondern ruhig und aufrichtig.
Diese Antwort ist so schlicht wie genial. Sie hat die Eleganz ausweichender Bewegungen in asiatischen Kampfkünsten. Denn die ganze zerstörerische Kraft verbaler Aggression geht ins Leere oder kehrt sich sogar gegen den Angreifer. Das Ziel, die Ballonkünstlerin zu treffen, wurde verfehlt und die Angreifer bleiben, so die Erfahrung, verblüfft zurück oder ziehen, meist irgendetwas murmelnd, ab. Weil sie auf sich zurückgeworfen werden, weil sie eine Antwort zu ihren Beweggründen, Gefühlen oder Motiven geben müssten und weil sie so eine Antwort nicht haben oder nicht geben wollen.
Mehr Informationen zur Ballonkunst von Sabina Kellner: www.twistart.at