Kampf gegen Corona – Chance fürs Klima
Der Klimawandel verlangt ein ähnlich konsequentes Handeln, wie wir es beim Kampf gegen das Virus Sars-CoV-2 gerade zeigen. Vielleicht können wir das Momentum nutzen.
Corona und der menschgemachte Klimawandel haben erstaunlich viel gemeinsam:
- Man sieht die Verursacher nicht mit freiem Aug, weder das neuartige Virus noch Treibhausgase wie CO2 oder Methan.
- Man kann ohne Hilfsmittel nicht beobachten, wie und wo sie wirken, nämlich in den unteren Atemwegen des menschlichen Körpers und in den oberen Schichten der Erdatmosphäre.
- In beiden Fällen herrscht unter den Experten und Expertinnen der jeweiligen Fächer weitgehend Einigkeit über die Ursachen, die Folgen und die Möglichkeiten, die schlimmsten Szenarien abzuwenden.
- Es gibt erst relativ wenige Opfer, die gehören aber zu den schwächsten der Gesellschaft, Alte und Kranke beim Virus, Menschen „an den Rändern der entwickelten Welt“ im Fall des Klimawandels.
- Wenn die Gesellschaft nicht rigoros handelt und adäquat reagiert, werden die Folgen verheerend sein.
Wo bleibt der Kraftakt?
Und doch fällt ein gewichtiger Unterschied ins Auge: Bei der aktuellen Pandemie handelt die Weltgemeinschaft entschieden und sogar gegen kurzfristige Wirtschaftsinteressen. Beim Klimawandel hingegen hoffen wir bis dato vergeblich auf einen ähnlichen kollektiven Kraftakt.
Das ist erstaunlich, weil die zu erwartenden Opfer bei der Erhitzung der Erdatmosphäre um ein paar Grad noch viel zahlreicher sein werden als im Worst-Case-Szenario von Corona. Wir haben es eben nicht mit einem Krankheitserreger zu tun, gegen den die Menschheit nach einigen heftigen Monaten eine gewisse Immunität und dann vermutlich auch einen Impfstoff entwickeln wird, sondern mit Problemen, die vielen Generationen das Leben auf der Erde zur Hölle macht – und nicht nur Generationen von Menschen. Der Anstieg des Meeresspiegels, die Ausweitung unbewohnbar heißer Zonen, der Verlust an Arten, das sind keine besonders heftige Infekte, das sind existenzielle Probleme, die uns – hier erhält Extinction Rebellion Unterstützung von vielen Wissenschaftlern – am Ende sogar als Art gefährden.
Und dennoch folgen den Forderungen der WHO-Experten Taten, den Warnungen der IPCC-Wissenschaftler aber nur Relativierungen. Und dennoch werden zum Beispiel Einschränkungen der Mobilität als Maßnahme gegen das Virus protestlos akzeptiert, während dieselben Maßnahmen gegen „die massivste Gefahr, der das menschliche Leben auf der Erde je ausgesetzt war“ (David Wallace-Wells) situationsabhängig als radikal, markt- oder lustfeindlich zurückgewiesen werden.
Es fehlt die Betroffenheit
Das Problem sind nicht die paar Spinner, die den anthropogenen Klimawandel an sich leugnen, wenn sie nicht gerade im Oval Office sitzen, sondern die vielen, die den Klimawandel als wissenschaftliches Fakt erkennen und dennoch passiv bleiben. Weil uns der Klimawandel nicht ganz so unmittelbar bedroht, weil uns seine Folgen nicht morgen, sondern vielleicht erst in ein paar Jahren erreichen, weil der Fingerzeig auf die anderen das Gewissen so schön beruhigt. Aber trotz fehlender persönlicher Betroffenheit und trotz der fehlenden Angst, sich morgen anzustecken oder wichtige Menschen zu verlieren, müssen wir jetzt handeln, müssen zum Beispiel den Umstieg auf erneuerbare Energieträger schaffen, viel weniger tierische Produkte konsumieren, unser Mobilitätsverhalten ändern und generell mit weniger Zeug auskommen.
Hierzulande ist dieser Tage viel vom „Team Österreich“ die Rede, von „Solidarität“ und von „Zusammenhalt“. Das brauchen wir auch beim Umstieg in eine CO2-neutrale Gesellschaft. Im Grunde müssen wir nur Innenminister Karl Nehammer beim Wort nehmen, der unlängst in einer Pressekonferenz meinte: „Der Maßstab unseres Handelns sind immer die Empfehlungen der Experten.“ Das gilt für den Kampf gegen Corona, aber bitte auch für den Kampf gegen den Klimawandel. Das wir es können, zeigen wir gerade.