Zu neuen Ideen mit der Reizwortanalyse

Wie Sie mit einem Wort zu Assoziationen reizen und Gedanken anheizen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Notizen zur Reizwortanalyse während einer S-Bahn-FahrtGerade hatten wir ein Youtube-Video zur Reizwortanalyse (auch bekannt als Reizwort-Technik oder Reizwort-Methode) gedreht, als mich eine Freundin bat, mir einen Titel für ein Chorkonzert im Frühling auszudenken. Mit Ideen ist es ja so: Entweder sie fliegen einem zu, ganz unvermutet, beim Spazierengehen, in der S-Bahn oder in der Badewanne, oder sie bleiben aus – wenn man nicht weiß, wie man sie aus ihren Verstecken, den verborgensten Winkeln des eigenen Gehirns, herauslockt. Gott sei Dank gibt es aber Methoden, die genau das möglich machen!

Die Reizwortanalyse ist eigentlich nicht das Mittel der Wahl, wenn man Titel sucht. Um etwa Headlines oder Slogans zu finden, arbeiten wir zumeist mit einer Wortfeldanalyse und kombinieren verschiedene Parameter. Diesmal aber wollte ich neue Wege gehen, spürte ich doch noch die Energie des vor wenigen Tagen gedrehten Videos in mir. Also, auf zur Titelsuche mit der Reizworttechnik!

Wie funktioniert die Reizwortanalyse?

Sie arbeitet mit der Methode der Bisoziation. Das Wort geht auf den Kulturphilosophen Arthur Koestler zurück, der so das Zusammenführen zweier völlig unabhängiger Begriffe bezeichnet. Man könnte auch sagen: Bisoziation ist das Gegenteil der Assoziation. Man sucht einen Begriff, der sicher nicht mit der Fragestellung verbunden ist. Zu diesem Begriff darf man assoziieren. Und dann verbindet man das Ganze mit der ursprünglichen Fragestellung. So kommt man zu neuen Ideen. Zu abstrakt? Ich erkläre jetzt ganz genau, wie ich es gemacht habe.

Frage formulieren

Der erste Schritt ist, wie bei der Arbeit mit Kreativitätstechniken generell, das Problem bzw. die Frage, für die man Lösungen sucht, möglichst genau zu formulieren. In meinem Fall war das einfach: Ich suche einen Titel für ein Chorkonzert eines Damenensembles, das im Frühling stattfindet.
Idealerweise schreibt man diese Fragestellung irgendwo auf.

Bisoziation

Jetzt kommt der erste methodische Schritt: ein Reizwort finden. Eine Möglichkeit besteht darin, sich ein beliebiges Buch zu nehmen und vorher zu definieren, auf welcher Seite man welches Wort auswählen wird. Ich war jedoch gerade unterwegs, als ich die Methode ausprobierte, und hatte mir vorgenommen, einfach das erste Wort zu nehmen, das ich bewusst lese. Ich spazierte durch die Venediger Au am Praterstern, dort, wo an zahlreichen Stellen das behördliche Alkoholverbot aushängt, und das erste, was ich las, war das Wort Polizei. Mein Auftrag war also: Mein Reizwort ist Polizei, und zu diesem muss ich jetzt assoziieren.

5-mal assoziieren

Die Reizwortanalyse lebt davon, zwischenzeitlich die Fragestellung zu vergessen, damit das Denken neue Wege einschlagen kann. Das passiert, indem man zum völlig beliebig gefundenen, keinesfalls jedoch mit der Fragestellung verwandten Begriff fünfmal assoziiert. Bei mir war das eben der Begriff Polizei, der beim besten Willen nichts mit einem Chorkonzert zu tun hat. Zu diesem assoziierte ich nun fünf Mal:

  1. Freund und Helfer
  2. Strafzettel
  3. Uniform
  4. Gesetze
  5. Pistole und Handschellen
Assoziationen mit der Fragestellung verbinden

Und jetzt wird es interessant. Diese Assoziationen nimmt man nun Schritt für Schritt her und verbindet sie mit der ursprünglichen Frage. Sie denken jetzt vermutlich: „Was soll da bitteschön rauskommen?“
Ich dachte das auch. Aber ich hielt mich an Leonardo Da Vinci, der gesagt hat: „Werden dem Geist zwei Dinge gleichzeitig angeboten, so muss er sie miteinander in Verbindung bringen, denn er kann nicht über zwei separate Dinge gleichzeitig reflektieren.” Da Vinci wird schon Recht haben, fand ich. Also: Stift gezückt und munter drauf los Schritt für Schritt die jeweiligen Begriffe und meine Frage zusammengedacht. Ich war mittlerweile in der S-Bahn und hatte nur zwei Stationen Zeit – maximal 6 Minuten bis zum Aussteigen.

Hier ist das Resultat:

  1. Titel für ein Chorkonzert und Freund und Helfer

Freund, Freunde, Frühling, Frühlingsfreuden … Helfer, helfen … Helfer im Frühling … eine Leiter. Eine Tonleiter. Tonleitern in den Frühling. Auf der Tonleiter in den Frühling, Begleitmusik in den Frühling, ein Konzert, das Sie in den Frühling geleitet/begleitet

  1. Titel für ein Chorkonzert und Strafzettel

Etwas, was wegmuss, etwas, was verboten ist: der Winter ist im Frühling verboten … vielleicht den Winter mit Musik vertreiben? Ausklang des Winters? Ausklang des Winters, Einstimmung in den Frühling

  1. Titel für ein Chorkonzert und Uniform

Uniform – alles gleich, unisono … polyphon … unisono: Einklang … ein Klang im Frühling, Einklang im Frühling, vielleicht einKLANG im Frühling

  1. Titel für ein Chorkonzert und Gesetze

Die Gesetze der Natur … Frühling, Sommer, Herbst, Winter … Die Kraft der Natur, der Sonne … Sonne! Ein Stück im Programm des Konzerts des Chores ist Mozarts: „Dir, Seele des Weltalls, o Sonne!“ – vielleicht einfach „O Sonne!“?

  1. Titel für ein Chorkonzert und Pistole

Pistole … schießen … Frühling … die Blumen schießen aus dem Boden, Frühlingsblumen, Schlüsselblumen … Wenn die Notenschlüsselblume sprießt, Frühlingsboten mit Noten, Noten als Frühlingsboten

  1. Titel für ein Chorkonzert und Handschellen

Handschellen schließt man auf und zu, Schlüssel, Türen, Tore … wir öffnen das Tor zum Frühling mit dem Notenschlüssel … (vielleicht als Untertitel?)

Auswählen

Nun war ich in der Station Rennweg angelangt. Die Ideen waren noch nicht ausgereift, aber ich war einen guten Schritt weiter. Der nächste wäre, bei jeder Idee, die mich ansprach, noch ein wenig nachzuspüren und zu feilen. Aber im Grunde hatte ich bereits ein paar Kandidaten, die mir ganz gut gefielen. Vielleicht sagte der Auftraggeberin ja auch schon eine der vorhandenen Ideen zu? Schnell schrieb ich ihr noch vom Bahnhof eine Whatsapp-Nachricht mit meinen sieben Favoriten.

Sie schwankte zwischen O Sonne! und Frühlingsboten mit Noten. Die Zeit drängte,  denn das Konzert sollte bald beworben werden.  Bei Entscheidungen, die eine Gruppe betreffen, ist es immer schlau, ein Team zu haben, das man fragen kann. Das tat sie. Das Team wählte am nächsten Tag Frühlingsboten mit Noten.
Geschafft!

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