Wer Vertrauen hat, schafft Vertrauen

Wer Vertrauen sät, wird Vertrauen ernten. Oder: Wie mich ein Hund etwas Grundlegendes über Vertrauen lehrte.

Keenoa, der Hund der mich einiges über Vertrauen lehrteIch erinnere mich noch gut, als mir meine Freundin zum ersten Mal während ihres einwöchigen Urlaubs ihren Hund Keenoa überließ. Ich war voll der Bewunderung, wie unheimlich gut erzogen er war – zumindest im Vergleich zu meinem sturen Rauhaardackel, den ich in meiner Kindheit gehabt hatte. Keenoa war so wohlerzogen, dass er ohne Leine folgte. Dennoch sagte meine Freundin: „Sollte er ein Reh sehen, wird er drauflos rennen, aber in der Regel macht er eine Runde und kommt zurück.“

Was für ein Hund!

Als ich eines Tages mit ihm am Cobenzl unterwegs war, geschah es tatsächlich. Keenoa erspähte ein Reh und startete drauflos. Ich, komplett überzeugt von der Verlässlichkeit dieses Hundes, pfiff einmal kurz lässig und wartete einfach darauf, dass der Hund die Kurve zurück machte. Genau so geschah es, der Hund drehte ab, lief eine kleine Runde und war sofort zurück. Spaziergänger, die das Ganze beobachtet hatten, pfiffen bewundernd durch die Zähne. Was für ein Hund!

Als meine Freundin vom Urlaub zurückkam und ich ihr davon erzählte, war sie erstaunt: „Er hat sofort umgedreht?“ „Klar“, sagte ich, „hast du doch gesagt!“ Sie lachte. „Im Idealfall, ja! Aber nicht unbedingt sofort. Ich meinte, er dreht eine Runde und kommt dann zurück. Wahrscheinlich hat er aber gespürt, dass du dir absolut sicher warst, dass er kommt. Es gab gar keinen Zweifel. Deshalb hat er gleich umgedreht. Wäre ich mit ihm gegangen, wäre ich wohl nicht so sicher gewesen.“

Hunde spiegeln oft, was ihr Gegenüber spürt und körpersprachlich ausstrahlt. Meinem eigenen Hund vertraue ich – trotz aller Bemühungen – nicht annähernd so sehr wie damals Keenoa, auch wenn er ebenfalls sehr gut erzogen ist. Ich habe mehr Angst um ihn, ich weiß mehr über ihn – und das strahle ich mit Sicherheit auch aus. Hundetrainer*innen bestätigen das: Hunde lesen unsere Körpersprache sehr genau. Zweifel an unserer Einstellung erkennen sie, auch wenn sie nur leise in uns keimen. Meine Klarheit gegenüber Keenoa entstammte einer gewissen Naivität. Ich hatte mit ihm bisher keinerlei Erfahrungen gemacht, die mein Vertrauen getrübt hätten. Dadurch konnte ich damals wohl so klar agieren, wie ich es getan hatte.

Vertrauen springt über

Was ich damit sagen will? Ob Hund oder Mensch – felsenfestes Vertrauen springt über. Und Klarheit entsteht ebenfalls durch Vertrauen: Als erstes muss man selbst daran glauben. Dann kann man das Vertrauen auch dem Gegenüber schenken.

Ist das ein Plädoyer dafür, anderen blind zu vertrauen? Nein. Nur ein Beispiel dafür, wie Klarheit, das eigene Vertrauen und das in andere zusammenhängen. Das bedeutet nicht, dass man andere nicht auch kennen (lernen) muss, um Vertrauen zu entwickeln. Keenoa war ein Hund, der mein Vertrauen in ihn durch sein Verhalten immer wieder bestätigt hat. Meiner hingegen kommt in gewissen Situationen an die Leine. ?

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